Der Regierungswechsel in Griechenland, begleitet von markigen Versprechungen des neuen Regierungschefs Tsipras, verursacht Schockwellen, Ratlosigkeit und Spekulationen auf allen politischen Ebenen der Länder der Europäischen Union darüber, wie es mit Griechenland und damit verbunden mit dem Euro weitergehen soll.
Griechenland wurde über Jahrzehnte von einer korrupten Politikergarde, sowohl von rechts wie von links, volkswirtschaftlich zugrunde gerichtet. Nicht zu vergessen, wie auch Gewerkschaften das Land über die Jahre kaputt gestreikt und jede moderne Entwicklung abgewürgt haben. Erinnert sei z. B. nur an das Interesse des Autobauers Mazda, der in Volos eine Autoproduktion aufbauen wollte und dadurch eine große Zahl von Arbeitsplätzen hätte schaffen können. Das Unternehmen wurde von Gewerkschaften so lange torpediert, bis Mazda aufgegeben hat.
Am 2. Mai 1998 beschlossen die Staats-und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel die Einführung des Euro. Bundeskanzler Kohl war sich bewusst, dass er damit gegen den Willen einer breiten Bevölkerungsmehrheit in Deutschland handelte. Kohl handelte als Politiker, dem eine politische Einheit Europas vorschwebte und handelte damit auch gegen den Rat von Wirtschaftsexperten (wie überhaupt erwiesenermaßen Politiker sich gegen Empfehlungen von anerkannten Fachleuten stets als resistent erweisen). Kohl stimmte der Einführung des Euro zu ohne Rücksprache mit dem damaligen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer. Angeblich soll er unter Druck vom damaligen französischen Staatspräsidenten Mitterrand gehandelt haben, der bei einer Ablehnung der Deutschen den Euro einzuführen, gedroht habe, seine Zustimmung zur Wiedervereinigung der Deutschen zu verweigern. (Bisher ist dieser Kuhhandel aber noch nicht nachgewiesen!) Ein Bundeskanzler hat seinem Volk seine in aller Welt hoch geachtete und stabile Währung weggenommen und darüber hinaus Deutschland auch noch seiner nationalen Finanzhoheit beraubt.
Aber zurück zum Ausgangspunkt. Der neue Regierungschef in Athen wirbelt die Euro-Welt ziemlich durcheinander und lässt damit die Absurdität der „Währung“ Euro wieder einmal offenkundig werden. Der Euro sollte nach dem Willen der Politiker Kohl/Waigel durch internationale Verträge (Maastricht) und Beitrittsbedingungen (Konvergenzkriterien) so stark werden und bleiben, wie es die D-Mark war. Wie sehr sich die Politiker getäuscht haben, ist inzwischen allgemein bekannt. Der Euro ist zwar ein internationales Zahlungsmittel, aber eben keine Währung. Dass dieses Zahlungsmittel nicht „währt“ und stetig gestützt und durch diverse Schirme dauernd „gerettet“ werden muss und heutzutage sogar in Gefahr gerät, zur Weichwährung zu werden, macht die ganze Misere des Euro und damit die permanente, wenn auch zeitweise von der Politik weggeredete, Eurokrise aus.
Mit der Einführung des Euro wurde schwachen Volkswirtschaften eine Währung übergestülpt, allen voran Griechenland, das aus rein politischen Gründen 2001 in die Eurozone mit aufgenommen wurde (und das auf der Basis gefälschter Zahlen), aber eben auch den sog. Südländern (Italien, Frankreich, Spanien und Portugal). Eine Währung, die diese Länder gar nicht verkraften konnten. Die Folgen sind bekannt: Überschuldung, Jugendarbeitslosigkeit, Verarmung breiter Bevölkerungsschichten (nicht nur in Griechenland), Reformstillstand, Zinsverfall, Enteignung der Sparer (denen Milliarden an Zinsen verloren gehen), Werteverfall des Euro gegenüber dem US-Dollar, Inflationsängste, usw.
Die Griechen sitzen auf einem Schuldenberg von € 320 Mrd., das sind 180 % des Bruttosozialprodukts. Die Griechen sind beileibe nicht allein schuld an diesem Zustand. Ihnen wurde die Kreditaufnahme von internationalen Geldgebern, die nach satten Renditen gierten, auch allzu leicht gemacht. Wer nimmt nicht gerne Geld, wenn es einem nachgeworfen wird! Es galt einmal die Ansicht in den volkswirtschaftlichen Abteilungen und Auslandsdirektionen der Banken, dass ein Staat nicht in Konkurs gehen kann. Das erleichterte oft die Kreditentscheidungen. Aber jetzt ist das Dilemma da! Griechenland musste vor der Pleite gerettet werden und so flossen immer wieder Gelder dorthin, die den Schuldenstand bis auf € 320 Mrd. anschwellen ließen. Griechenland wurden „Kredite“ zum Schutz vor einer Staatspleite gewährt, obwohl eigentlich jeder wissen musste, dass das Land gar nicht mehr kreditwürdig war. Alles geschah letztlich auch, um Griechenland in der Eurozone zu halten. Ja, warum eigentlich? Das Land ist hoch verschuldet und seine Rückzahlungsfähigkeit ist gleich null.
Herr Draghi, EZB-Präsident, will alles tun, um den Euro zu erhalten bzw. zu stützen. Er will Staatsanleihen aufkaufen und die Geldmärkte mit Billionen Euro überschwemmen. Kein Zentralbankchef der Euroländer kann ihn stoppen, weil den Euro-Staaten ihre Finanzhoheit fehlt, aber auch kein Politiker schiebt diesem unsinnigen Gehabe einen Riegel vor, auch nicht die angeblich allseits so beliebte und mächtigste Frau der Welt, Angela Merkel. (Die Deutschen haben auf den höchsten Ebenen in Brüssel ja sowieso nichts zu melden).
Herr Draghi kommt aus dem Hause Goldman Sachs und hat dort das Investmentbanking gelernt. In Kapitalmarktprodukten und -geschäften mag er sich auskennen, aber offenbar nicht im Kreditgeschäft (einst die Königin unter den Geschäftsbankabteilungen!). Er kennt nicht oder ignoriert die grundsätzlichen Kriterien des Kreditgeschäfts, zu denen in erster Linie die Prüfung der Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers zählt, welche die Fähigkeit zur Zinszahlung und zur termingerechten Rückzahlung einschließt. Mit der Geldschwemme sollten die Banken veranlasst werden, Kredite an Unternehmen in Krisenländern zu geben, um dort die Wirtschaft anzukurbeln. Nur sind die potentiellen Kreditnehmer aber leider nicht in Sicht und da die Banken das Geld nur mit Strafzinsen bei der EZB einlegen könnten, legen sie es an der Börse an. Kein Wunder, dass die Börse zurzeit boomt, was wohl auch noch eine Weile andauern wird.
Nun will die neue Regierung Griechenlands den Reformkurs, der ihr von den Gläubigern diktiert wurde, stoppen. Vor allem die Sparprogramme unter denen das Land immer mehr zu leiden hatte und die Bevölkerung auf breiter Basis mehr und mehr verarmte. Ein Land, das in der Tat nur über ein marodes Staatsmanagement verfügt und dessen Volkswirtschaft entsprechend verkümmert ist, kann man nicht durch Sparmaßnahmen retten, sondern nur kaputt sparen. (Auch Deutschland wurde unter der Weimarer Republik einmal kaputtgespart mit den bekannten fürchterlichen Folgen).
Nun will Herr Tsipras wieder die Mindestlöhne erhöhen, Beamte wieder einstellen, Weihnachtsgelder wieder zahlen und andere Wohltaten verteilen. Die Frage ist nur, woher soll das Geld dafür herkommen? Die internationalen Geldgeber werden wohl nicht bereit sein, neue „Kredite“ an Griechenland auszuzahlen. In diesem Zusammenhang wird immer öfter über einen Austritt des Landes aus der Eurozone nachgedacht, andererseits aber auch wieder betont, dass man Griechenland in der Eurozone halten will und die griechische Regierung hat auch nicht vor, die Eurozone zu verlassen. Was also ist zu tun? Zuletzt hat Thomas Meyer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht. Er schlägt vor, Griechenland in der Euro-Zone zu belassen, das Land aber mit einer zweiten Währung auszustatten. Die zweite Währung könnte man ja gemäß dem Vorschlag „Geuro“ nennen, was m. E. eher zu Verwirrung als zu Klarheit führen würde. Besser wäre es, die Drachme wieder einzuführen und die Währung auch wieder so zu nennen.
Der Vorschlag könnte nach Verwirklichung die Erholung Griechenlands möglicherweise Schritt für Schritt (allerdings in sehr kleinen Schritten) herbeiführen. Denn was bedeutet die Wiedereinführung der Drachme als Zweitwährung für das Land?
Griechenland würde damit eine Innenwährung schaffen, mit der alle nationalen Bedürfnisse bezahlt werden könnten (Löhne, Gehälter, Waren des täglichen Lebens, Pensionen usw.) und erhielte gleichzeitig seine nationale Finanzhoheit wieder. Es könnte seine Geldmenge, das Zinsgefüge und seine Währungsparität nach außen beliebig den Gegebenheiten anpassen, wie es früher alle Staaten Europas konnten. Die Verschuldung in Euro bleibt davon unberührt. (Diese Innenwährung wäre vergleichbar mit der ehemaligen Mark der DDR, die auf dem Weltmarkt nichts wert war, aber intern der Bevölkerung ein relativ angenehmes Leben garantierte.) Griechenland könnte sich dann auf seine eigenen Stärken besinnen und alles unternehmen, was durch Exporte griechischer Produkte in Euro verdient werden könnte. Und da gibt es vielerlei Möglichkeiten. Das Land verfügt über große Ressourcen aus dem Agrarsektor mit seinen Mittelmeergemüsen und Obstprodukten. Der Tourismus könnte neu und in großem Umfang wieder belebt und zu einer Euro-Einnahmequelle gemacht werden (vorausgesetzt die Hotels werden nicht nur neu gebaut, sondern auch dauerhaft in Schuss gehalten und nicht, wie heute üblich, irgendwann vernachlässigt). Der Schiffsbau könnte wieder angekurbelt werden, denn durch das neue Währungsgefüge könnte Griechenland wieder billiger produzieren und dadurch konkurrenzfähiger werden. Ausländische Investoren könnten in Griechenland neue Produktionsstätten errichten und die Produkte ins Ausland gegen Euro exportieren. (Genauso hat sich die ehemalige DDR ihre nötigen Devisen beschafft.) Auf diese Weise könnte das Land langsam gesunden und vom Billiglohnland zu neuem Wohlstand gelangen. (Genau das war die Entwicklung, die der Staat Singapur durchlaufen hat, vom billigen Textilfabrikanten bis zum heutigen „Musterländle“). Voraussetzung für die Gesundung sind allerdings einige Bedingungen, die das Land erfüllen muss: ein effizientes Staatsmanagement, wozu besonders eine wirksame Finanzverwaltung gehört, und vor allem eine Bewusstseinsänderung bei den Menschen, die bereit sein müssen, die Ärmel hochzukrempeln und wieder richtig zuzupacken. Die bisherige Meinung (begründet unter der 400-jährigen Türkenherrschaft), dass der Staat der Feind des Volkes ist, muss total überwunden werden. Und solange das nicht erreicht ist, wird sich in Griechenland nichts ändern. Schade!
Klaus Schott
Foto: Eurokinissi