Wenn das Ausflugsboot vom kretischen Ferienort Elounda am Golf von Mirabello schnurgerade auf die Felseninsel Spinalonga zusteuert, heben sich immer dominanter die Befestigungsanlagen des ehemaligen venezianischen Kastells, der „Fortezza“, ins Blickfeld. Zwischen ihnen versteckt sich eine verlassene Siedlung aus ruinösen und halbwegs intakten Häusern.
Das touristische Ziel Spinalonga steht in einer Reihe mit verlassenen Felsendörfern wie Monemvasia und Mystras auf der Peloponnes oder Anavatos auf Chios. Doch auf all seinen meist gepflasterten Wegen wird die romantische Stimmung in Spinalonga begleitet von einem Unterton des Grauens ...
Nach vier Jahrhunderten kriegerischer Auseinandersetzungen um die Festung hatte der junge griechische Staat auf Spinalonga 1913 ein Ghetto für Lepra-Kranke eingerichtet, das bis 1957 bestand und zu den letzten Anstalten dieser Art in Europa gehörte. Diese fast bis in unsere Zeit hineinreichende leidvolle Vergangenheit weckt bei den Besuchern ein Gefühl der Beklemmung, das sich auch durch malerische Winkel und reizvolle Durchblicke nur schwer überwinden lässt. Über dem Ort liegt eine zwiespältige Stimmung, geprägt von dem Kontrast zwischen der Schönheit der Landschaft mit dem fast zu jeder Jahreszeit strahlenden Blau von Himmel und Meer und dem bitteren Nachgeschmack eines grausamen sozialen Versagens, das kranke Menschen wie in biblischen Zeiten einfach aus der Gesellschaft ausstieß.
Die italienische Benennung „Spinalonga“ rührt von falsch verstandenem Griechisch her: „Stin Elounda“ – „bei Elounda“, dem Hafen, von dem heute die Boote hinüberfahren, wurde zunächst zu „Stinalonde“ (im 13. Jahrhundert) und entwickelte sich schließlich, um dem Namen einen Sinn zu geben, zu „Spinalonga“, italienisch für „langer Dorn“.
In unserem Griechenland Journal Nr. 5 erfahren Sie mehr über „Lepra-Insel“ und ihre Geschichte.