Im Streit um die maritimen Grenzen im Mittelmeer, den die Türkei im Dezember durch die Unterzeichnung eines dubiosen Abkommens mit Libyen noch verschärft hat, scheint eine Einigung in der Ferne zu liegen. Während die EU und ein Großteil der internationalen Gemeinschaft in dem Memorandum einen Verstoß gegen internationales Recht sehen und sich sogar das libysche Parlament gegen das Abkommen stellt, beharrt Ankara auf seinem Standpunkt, wie aus einer Pressemitteilung am Mittwoch deutlich wird. Darin heißt es, das Abkommen stelle eine „Antwort auf die Missachtung der türkischen und türkisch-zyprischen Präsenz im östlichen Mittelmeer“ dar, das Vorgehen sei daher „rechtmäßig und angemessen“.
Verbaler Schlagabtausch
Beide Seiten betonen ihre Gesprächsbereitschaft, zugleich tragen die Verantwortlichen in ihren verbalen Äußerungen nicht unbedingt zur Annäherung bei. Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis bezeichnete das Abkommen im Rahmen seines USA-Besuches Anfang der Woche als „geographisch lächerlich“. Der Generaldirektor des türkischen Außenministeriums, Cagatay Erciyes, postet auf Twitter wiederum eine Karte des östlichen Mittelmeeres und stellt in Frage, ob kleinere griechische Inseln wie Kastellorizo nahe der türkischen Grenze, überhaupt Ansprüche hätten. Die Forderung nach einer Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) sei in diesem Fall „lächerlich“, so der Offizielle aus Ankara.
Diplomatische Hilfe aus Washington
Nun wollen die USA in dem Konflikt als möglicher Vermittler auftreten. Wie die Tageszeitung Kathimerini am Freitag (10.1.) berichtet, stellte der US-Außenminister Mike Pompeo eine diplomatische Initiative seines Landes in Aussicht, die vor allem auf eine Befriedung der Kontroverse über das Abkommen zwischen der Türkei und Libyen abzielen werde. Besprochen worden sei diese Idee im Rahmen eines feierlichen Empfangs zu Ehren von Mitsotakis, den Pompeo gemeinsam mit Vizepräsident Mike Pence ausgerichtet hatte. Als erste konkrete Maßnahme wurde ein Besuch des für die Ägäis und den westlichen Balkan verantwortlichen Mitarbeiters („Deputy Assistant Secretary“) des US-Außenministeriums Matthew A. Palmer in Ankara für den frühen März angekündigt, bevor dieser dann weiter nach Griechenland zum „Delphi Wirtschaftsforum“ reist.
US-Präsident Trump schweigt sich aus'
Präsident Donald Trump allerdings äußerte sich nach dem Treffen mit Mitsotakis nicht zu dem aggressiven Verhalten der Türkei im östlichen Mittelmeer. In seinen Äußerungen beschränkte er sich darauf, die großartige wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands im letzten Jahr zu loben. Trump gilt dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als wohlgesonnen und bezeichnete ihn in der Vergangenheit als „Freund“. Die griechische Opposition veranlasste dieses Stillschweigen dazu, den Besuch Mitsotakis‘ als „Fiasko“ zu bezeichnen.
Dennoch: Die USA dürften ernsthaftes Interesse an einer stabilen Sicherheitslage im Mittelmeer und einer guten Zusammenarbeit mit Griechenland haben, vor allem vor dem Hintergrund des Erdgashandels. Zum einen, weil im östlichen Mittelmeer große Erdgasvorkommen vermutet werden, für deren Förderung auch US-amerikanische Ölkonzerne wie ExxonMobil schon Verträge abgeschlossen haben. In diesem Fall mit Zypern, dessen Souveränität und ihr Recht auf eine AWZ von der Türkei ebenfalls nicht anerkannt wird. Zum anderen, weil die USA großes Interesse an der Belieferung Südosteuropas mit Flüssiggas aus Amerika zeigen. Ein möglicher Anlaufpunkt für diese Lieferungen wäre das vor Alexandroupoli geplante schwimmende LNG-Terminal unter griechischer Leitung durch die Firma Copelouzos.
Der lange Arm Moskaus
Ebenso unterstützt die US-Regierung das Großprojekt der EastMedPipeline, die Erdgas aus dem Nahen Osten liefern soll. Für den Bau dieser aufwendigen Unterseeleitung durchs Mittelmeer hatten die Energieminister Israels, Zyperns und Griechenlands Anfang des Jahres ein Abkommen unterzeichnet. Alle diese Initiativen eint, dass sie sich gegen eine wachsende Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen richtet. Die Fertigstellung der Turkstream-Pipeline hingegen, die russisches Gas über die Türkei nach Südeuropa liefern soll, wird von Washington kritisch beobachtet. Gegenüber dem griechischen „Hellas Journal“ bezeichnete ein Mitarbeiter des US-Außenministeriums das Projekt als „wirtschaftliches und politisches Druckmittel“, durch das Russland an Einfluss auf Europa gewinnen wolle. Die Pipeline trage zur Spaltung Europas bei.
Griechenland steht den russischen Gaslieferungen hingegen prinzipiell offen gegenüber. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wurden über einen ersten Abschnitt der Turkstream im Jahre 2019 bereits drei Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Hellas geleitet.
(Griechenland Zeitung / Jonas Rogge)