In knapp zweieinhalb Monaten steht Deutschland vor einer wegweisenden Bundestagswahl. Wer zieht danach ins Kanzleramt ein? Wer wird mit wem regieren? Wie wird sich der Bundestag zusammensetzen? Der Ausgang der bevorstehenden Wahl ist für ganz Europa und vor allem auch für Griechenland von großer Bedeutung.
Aus diesem Grund lud die Zweigstelle der Konrad-Adenauer-Stiftung in Athen zu einer Podiumsdiskussion ins Divani Caravel Hotel. Zu den Teilnehmern gehörten Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen sowie die Abgeordneten der konservativen Nea Dimokratia Georgios Kyrtsos (Europaparlament) und Nikos Dendias (griechisches Parlament).
Alle drei gingen in ihren Beiträgen von einer wahrscheinlichen weiteren Legislaturperiode Merkels sowie einem Triumph der Christdemokraten aus. Der Moderator der Veranstaltung, Jannis Palaiologos, Journalist der konservativen Tageszeitung „Kathimerini“, sah darin aber eine Problematik. Eine potenzielle Koalitionspartei stehe vor einem Dilemma. Sie dürfe lediglich als „Juniorpartner“ agieren und die Hauptverantwortung für eine eventuell misslungene Politik tragen. Das habe die Vergangenheit gezeigt. Außerdem sprach er von Merkel dem „Chamäleon“: „Sie hat die Fähigkeit, sich das Wahlprogramm der Gegner anzueignen. Wie zuletzt beim Gesetzesbeschluss der Ehe für alle.“
Prof. Korte wusste das einzuordnen: „Merkel handelt sehr bewusst und trifft Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus. Sie hat dabei nicht gewonnen und ein großes Thema bei möglichen Koalitionsverhandlungen verloren, aber die wiederbelebte SPD hat ein starkes Argument ihres Wahlprogrammes verloren.“
Ein weiterer Punkt für die wahrscheinliche Wiederwahl der Kanzlerin sei das Durchschnittsalter der deutschen Wählerschaft. „Die Mehrzahl sind Senioren, der Durchschnitt liegt bei 55 Jahren. Diese Zielgruppe ist auf Sicherheit und Identität aus“, fügt Korte hinzu: „Themen, die das Wahlprogramm der CDU stützen.“
Korte stellte außerdem fest, dass derzeit die Frage der Identität in Deutschland und Europa ein vitales Thema sei. Erstmals könnte die rechtspopulistische „Protestpartei“ Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag einziehen. „Es ist nicht auszuschließen, dass sie Teil einer Koalition wird“, meinte Korte. Das würde einen Nackenschlag für Griechenland bedeuten. Die AfD argumentierte in der Vergangenheit mehrfach für eine Europäische Union ohne die Griechen.
Diese Befürchtung teilte auch Georgios Kyrtsos: Eine Regierungsbeteiligung der AfD „wäre eine große Niederlage für die Demokratie und das europäische Gefühl. Griechenland muss zeigen dürfen, dass es ein starker und zuverlässiger Partner für die Deutschen und die EU ist.“ Trotzdem sprach Kyrtsos die Hoffnung aus, dass man die Bundestagswahlen in Deutschland als eine „weitere schwere politische Niederlage des Populismus“ darstellen werden.
Lukas van den Brink