Zwischen der griechischen Regierung und der Europäischen Kommission ist es am Mittwoch zu Verstimmungen gekommen. Anlass ist der frühere Präsident der griechischen Statistikbehörde ELSTAT Andreas Georgiou. Dieser muss sich vor einem griechischen Gericht wegen des Verdachtes der Fälschungen der Statistiken für das Haushaltsdefizit des Jahres 2009 verantworten. Laut der gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien die Spar- und Reformmaßnahmen, die Athen im Jahr 2010 mit den internationalen Geldgebern (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) vereinbart hatte, schärfer als nötig ausgefallen. Grund: Kraft seines Amtes habe er das tatsächliche Defizit des Jahres 2009 künstlich in die Höhe getrieben.
EU-Kommission spricht Statistikern Vertrauen aus
Nun hat sich die EU-Kommissarin für den Bereich Soziales und Beschäftigung Marianne Thyssen am Mittwoch in einer Mitteilung hinter den einstigen griechischen Chefstatistiker gestellt. Wörtlich ist die Rede von einem „absoluten Vertrauen der Kommission in die griechischen Statistiken zum Defizit der Periode 2010 bis 2015“.
Außerdem erklärte sie, dass eventuelle Neuberechnungen des Defizites aus dem Jahr 2009 auch Konsequenzen für das gegenwärtig vereinbarte Sparprogramm haben würden. Die EU-Kommissarin ist u. a. auch verantwortlich für die Europäische Statistikbehörde EUROSTAT. Diese wiederum überwacht seit 2010 die Arbeit der ELSTAT. In einen Brief an Finanzminister Efklidis Tsakalotos implizierte Thyssen nun sogar politische Interventionen in die Justiz und Jagd auf einen Technokraten, der seine Arbeit gemacht habe.
Athen reagierte auf diese Kommentare aus Brüssel gereizt. Die Regierung dementierte sämtliche Vorwürfe, politisch in die Arbeit der Justiz zu intervenieren. Tsakalotos rief die Kommission dazu auf, falls sie über „wissenschaftlich bessere Belege“ in diesem konkreten Fall verfüge, solle sie vor der griechischen Justiz ihre Aussage zu Protokoll geben, um deren Arbeit zu erleichtern.
Auszahlung einer neuen Kredittranche steht an
Gerüchte und Vorwürfe, dass ELSTAT im Jahr 2009 das Defizit höher angegeben hat, als es der Realität entsprach, gibt es bereits seit 2011. Die Wirtschaftszeitung Naftemboriki erinnert in ihrer heutigen Ausgabe daran, dass diese Vorwürfe von einem Vorstandsmitglied der ELSTAT ausgegangen sind: von der Lektorin der Universität Makedonien Zoi Georganta. Sie hatte u. a. von einem „illegalen Verfahren“ gesprochen und davon, dass „der ELSTAT-Vorsitzende im Alleingang Entscheidungen getroffen“ habe. Im gleichen Jahr hat die konservative Nea Dimokratia (ND) die damals regierende sozialistische PASOK für die „Anpassung des Defizits 2009“ die Verantwortung zugeschoben. Zuvor hatten die Sozialisten am 4. Oktober 2009 die bis dahin regierenden Konservativen mit einem triumphalen Wahlergebnis von der Regierungsverantwortung abgelöst. Im Frühling 2010 wurde zwischen Athen und den Geldgebern das erste Memorandum bzw. Sparprogramm in Höhe von 110 Milliarden Euro unterzeichnet. Es folgten zwei weitere.
Einer der Hintergründe dafür, dass die Debatte gerade jetzt einem neuen Höhepunkt entgegen steuert, dürfte auch die geplante Auszahlung einer neuen Kreditrate an Athen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro an Athen sein. Die Eurogruppe will darüber am 9. September befinden.
Elisa Hübel
Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt den einstigen Vorsitzenden der griechischen Statistikbehörde ELSTAT, Andreas Georgiou, am 6. März auf den Weg ins griechische Parlament, wo er vor einer Untersuchungskommission Rede und Antwort stehen musste.