Ministerpräsident Alexis Tsipras hat am Dienstag und Mittwoch der Türkei einen offiziellen Besuch abgestattet. In Istanbul verfolgte er gemeinsam mit seinem Gastgeber Ahmet Davutoglu ein Freundschaftsspiel zwischen den Fußballnationalmannschaften beider Länder – es endete Null zu Null. Außerdem kam es zu einer Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäos I. Anschließend reiste Tsipras weiter nach Ankara. Dort hatte der Gast aus Athen eine Unterredung mit Davutoglu. Hauptthema war die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Seit Anfang des Jahres haben mindestens 540.000 Menschen versucht, von der türkischen Küste aus Griechenland und damit europäisches Territorium zu erreichen. Amnesty-International zufolge sind bis November mindestens 3.500 Flüchtlinge bei diesem Versuch ertrunken. Darunter sind auch viele Kinder gewesen. In der Türkei halten sich derzeit 2,2 Millionen Menschen auf, die aus dem Krieg in Syrien geflüchtet sind.
Die beiden Regierungschefs einigten sich darauf, schon bald ein Dreiergipfeltreffen zu organisieren, an dem sich auch Deutschland beteiligen soll. Das Ziel von Tsipras war es, Aufnahme- und Registrierungslager, die sogenannten „Hot Spots“, auf türkischem Territorium zu errichten und nicht auf griechischen Inseln. Wenn die Flüchtlinge nicht mehr versuchen müssten, illegal auf nicht seetüchtigen und hoffnungslos überfüllten Booten über die Ägäis nach Europa zu gelangen, könnten viele Menschenleben gerettet werden, argumentierte Tsipras.
Ankara hat zu diesem Vorschlag keine offizielle Position bezogen. Jedoch wurde bekannt, dass die türkische Seite als Gegenleistung Fortschritte bei Gesprächen über die EU-Perspektive des Landes sehen möchte. Außerdem wurde Visafreiheit für türkische Bürger gefordert, die nach Europa reisen möchten. Zudem müsse regelmäßig eine finanzielle Unterstützung an das Land für die Aufnahme der Flüchtlinge gezahlt werden. Dabei war von jährlich drei Milliarden Euro die Rede.
Gemeinsame Patrouillen in der Ägäis, die einschließen würden, dass die griechische Küstenwache in türkischen Hoheitsgewässern operiert und die türkische in griechischen, wurden von beiden Seiten abgelehnt. Hingegen einigte man sich darauf, auf technischer Ebene zu kooperieren. Tsipras wurde bei seinem Besuch im Nachbarland auch vom Vorsitzenden der griechischen Küstenwache begleitet, der sich mit seinem türkischen Amtskollegen getroffen hat.
Davutoglou hat seinerseits betont, dass der Krieg in Syrien Hauptgrund für die Flüchtlingswelle sei. Zu stoppen sei diese nur durch eine Lösung in Syrien selbst. Tsipras äußerte seinerseits, dass es sich um eine „internationale Krise“ handle und nicht um eine, die Griechenland und die Türkei allein bewältigen müssten.
Besprochen wurde bei dem Treffen der beiden Spitzenpolitiker auch eine noch engere Kooperation in den Bereichen Handel, Energie und Tourismus. So sollen zum Beispiel Reisen zwischen Thessaloniki in Nordgriechenland und Istanbul oder Izmir in der Türkei vereinfacht werden. Vereinbart wurde auch, dass im Februar die vierte Tagung des Obersten Rates der Zusammenarbeit zwischen Ankara und Athen in der Türkei durchgeführt wird. Nicht zuletzt hatte Tsipras in Ankara auch eine Begegnung mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Letzterer schenkte dem Gast eine Krawatte. Der Grieche bedankte sich herzlich und erklärte, dass er diese tragen werde, wenn beide gemeinsam das geteilte Zypern besuchen würden. Beobachter vor Ort registrierten beim Tsipras-Besuch in Ankara eine sehr herzliche Atmosphäre.
Elisa Hübel
Unser Foto (© AP / Leftheris Pitarakis; Eurokinissi) zeigt Tsipras (l.) gemeinsam mit seinem türkischen Amtskollegen Davutoglu.