Am morgigen Samstag um 11 Uhr morgens werden die 300 Parlamentarier der griechischen Volksvertretung ihren Eid ablegen. Gewählt worden waren sie bei den Parlamentswahlen am 20. September. Am Sonntagvormittag wird der neue Parlamentspräsident in geheimer Abstimmung gewählt.
Die Regierungspartei SYRIZA wird allem Anschein nach den ehemaligen Innenminister Nikos Voutsis für diesen Posten vorschlagen. Sollte er eine dafür notwendige einfache Mehrheit von mindestens 151 Mandaten erlangen – wovon auszugehen ist – stehen ihm schwierige Aufgaben bevor. Bei den bevorstehenden Sitzungen müssen unbequeme Maßnahmen und Reformen verabschiedet werden, um die Vereinbarungen des dritten Spar- und Reformpaketes (Memorandum III) zu erfüllen. Dieses Memorandum wurde von der Koalitionsregierung des Bündnisses der Radikalen Linken (SYRIZA) und der rechtspopulistischen Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL) mit den internationalen Geldgebern und europäischen Partnern geschnürt. SYRIZA und ANEL hatten sich nach den Wahlen im vergangenen Januar als „Antimemorandums-Parteien“ zusammengetan. Anschließend sahen sie sich im Juli dazu gezwungen, selbst ein derartiges Sparpaket zu unterzeichnen. Die Auswirkungen dieser Politik mündeten am 20. September in Neuwahlen, aus denen abermals eine Koalition aus SYRIZA und ANEL hervorging.
Am Montag wird Ministerpräsident Tsipras die Grundsatzerklärungen seiner Regierung dem Parlament darlegen. Er wird voraussichtlich das Memorandum III als „notwendiges Übel“ verteidigen. Gleichzeitig dürfte er sich für eine Umschuldung einsetzen und tiefgründige Reformen ins Auge fassen.
Am kommenden Dienstag und Mittwoch werden schließlich auch die Minister und Parlamentarier ihre Grundsatzerklärungen erläutern. Am Mittwochabend sind die im Parlament vertretenen Parteichefs an der Reihe. Anschließend werden die Volksvertreter dazu aufgerufen, der Regierung das Vertrauen zu schenken.
Der Vorsitzende der Liberalen „To Potami“ Stavros Theodorakis hat bereits erklärt, dass die 11 Abgeordneten seiner Partei der Regierung das Vertrauen verweigern werden. Für den Fall eines Scheiterns der Regierungskoalition schloss er aus, eventuell gemeinsam mit SYRIZA zu regieren. Weiterhin warf Theodorakis der Regierungspartei vor, einen großen Teil der sozialistischen PASOK in ihre Reihen übernommen zu haben. Die Sozialisten regierten von 1974 bis in die jüngere Vergangenheit abwechselnd das Land und tragen somit auch eine große Mitverantwortung für die Finanz- und Wirtschaftskrise, in der sich Griechenland seit 2009 befindet.
Auch die PASOK hat angekündigt, der Regierung am Mittwoch das Vertrauen zu verweigern. Parteichefin Fofi Gennimata warf der Regierung Tsipras vor „keinen Plan“ zu haben. Vor allem habe sie ein „negatives Investitionsklima“ geschaffen.
Kritisch äußerte sich am Donnerstag auch der Vorsitzende der ND Evangelos Meimarakis. Er sprach von einem bevorstehenden „Steuersturm“, den die Regierung entfacht habe. – Angesichts dieser Vorzeichen dürften sich einige Gewitterwolken am herbstlichen Himmel über Griechenland zusammen brauen.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Nikos Voutsis im Wahlkampf am 13. September in Argos. Er wird am Wochenende voraussichtlich zum Präsidenten des neuen Parlaments gewählt.