In Griechenland werden voraussichtlich am 20. September vorverlegte Parlamentswahlen stattfinden. Unter der Hand läuft der Wahlkampf bereits an. Ministerpräsident Tsipras zeigte sich in einem Fernsehinterview nicht bereit, mit den „Parteien des Systems“ zu koalieren.
Heute oder spätestens am Freitag wird die neue Interimsregierung in Griechenland stehen. Diese wird das Land in die vorverlegten Parlamentswahlen führen, die am 20. September stattfinden. Angeführt wird die Interimsregierung von der Präsidentin des Landeshöchstgerichtes (Areopag) Angeliki Thanou. Damit wäre diese die erste Frau, die einer griechischen Regierung vorstehen wird.
Letzter formaler Versuch
Vorangegangen war die Übergabe des Mandates zur Regierungsbildung an den Vorsitzenden der „Volkseinheit“ Panagiotis Lafazanis. Diese Partei wurde in der vorigen Woche nach der Ankündigung der Durchführung des vorverlegten Urnengangs durch Ministerpräsident Alexis Tsipras ins Leben gerufen. Zuvor hatte sie sich vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), deren Vorsitzender der bisherige Regierungschef Alexis Tsipras ist, abgespalten.
Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos wird am heutigen Donnerstag aus formellen Gründen alle im Parlament vertretenen Parteichefs noch einmal kontaktieren. Dies ist der letzte Versuch, vielleicht doch noch eine Regierung zu bilden, allerdings tendieren die Erfolgsaussichten gegen Null. Die sieben im Parlament vertretenen Parteien teilen sich in Pro-Memorandums-Parteien (Spar- und Reformpaket) und Anti-Memorandums-Parteien auf. Die herrschenden politischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten scheinen nahezu unüberwindlich.
Geringe Koalitionsbereitschaft
In seinem ersten Interview, das Ministerpräsident Tsipras in der Vorwahlperiode gab, erklärte er am Mittwoch, dass er auf sein Mandat verzichten werde, falls er durch den Wahlausgang gezwungen sein sollte, mit der konservativen ND, der sozialistischen PASOK oder der liberalen „To Potami“ zu koalieren. Diesen drei Parteien warf er vor, dass sie das Land in die Krise geführt hätten. Eine erneute Koalition mit der rechtspopulistischen Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL) schloss er unterdessen nicht aus. Auch der ANEL-Vorsitzende Panos Kammenos bekundete die Absicht, wenn es nötig sei nach den Wahlen erneut mit SYRIZA zu koalieren.
Im Interview rechtfertigte Tsipras auch seine Entscheidung, ein neues Memorandum mit den Geldgebern zu vereinbaren. Noch Anfang Juli hatte er die Wähler zu einer Volksabstimmung an die Urnen gerufen, damals sprachen sich mehr als 60 % gegen neue Vorgaben der internationalen Geldgeber – sprich: gegen Sparmaßnahmen – aus. Tsipras stellte nun fest, dass er dieses Referendum und das „Nein“ als eine starke Trumpfkarte bei den Verhandlungen betrachtet habe. Gleichzeitig sei dadurch klar geworden, dass er nicht den Auftrag gehabt habe, das Land aus der Eurozone zurück in die Drachme zu führen. Genau dies aber wäre das Resultat gewesen, wenn es in Brüssel zu keiner Einigung gekommen wäre.
Das griechische Volk rief Tsipras im Interview dazu auf, SYRIZA eine absolute Regierungsmehrheit zu geben. Damit werde er zwar die Maßnahmen des Memorandums durchsetzen, doch er werde auch nach ausgleichenden Maßnahmen suchen.
Konservative beraten über Wahlkampf
Was die größte Oppositionspartei, die konservative ND betrifft, so berät diese heute über ihre Wahlkampfstrategie. Parteichef Vangelis Meimarakis erklärte, dass seine Kandidatenliste bereits zu 80 % fertig sei. Er werde zum großen Teil die gleichen Kandidaten aufstellen, die auch bei den Parlamentswahlen im Januar angetreten sind. Zudem forderte der Chef der Konservativen zwei Fernsehdebatten. An der ersten sollten seinen Vorstellungen zufolge sämtliche Parteichefs teilnehmen, an der zweiten nur er und Tsipras.
Der Vorsitzende der liberalen „To Potami“ Stavros Theodorakis hat sich unterdessen das Ziel gesetzt, bei den Wahlen mehr als 6 % der Stimmen zu erhalten. Seine Partei sei der „stabilisierende Faktor“ in Griechenland, stellte er in einem Appell an die Wähler fest. Er werde mit allen Parteien kooperieren, um das Land im Euro zu halten und es aus der Krise zu führen.
Der Linkspolitiker Panagiotis Lafazanis von der „Volkseinheit“ hat sich das Ziel gesetzt, drittstärkste Kraft im Parlament zu werden. Er werde letztlich auch vor einer Rückkehr zur Drachme nicht zurückscheuen. Eine solche Option, so sagte er, habe bei weitem nicht die verheerenden Folgen, wie einige Politiker das gern glauben machen möchten.
(Griechenland Zeitung / eh)
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Ministerpräsident Alexis Tsipras am Dienstag dieser Woche während eines Treffens mit Anastassios, dem griechisch-orthodoxen Erzbischof von Tirana, Durrës und ganz Albanien.