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Griechischer Regierungschef flüchtet sich in Referendum – Schlangen vor den Geldautomaten Tagesthema

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Griechischer Regierungschef flüchtet sich in Referendum – Schlangen vor den Geldautomaten

Das griechische Volk soll in einem Referendum am 5. Juli darüber entscheiden, ob es einen Plan der Institutionen (EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) zur weiteren Finanzierung akzeptiert, das für Griechenland mit konkrete Auflagen verknüpft ist. Das kündigte der griechische Premier Alexis Tsipras vom Radikalen Linskbündnis (SYRIZA) in einer Botschaft an die Nation um Freitag Mitternacht an.

Die beiden Dokumente der Institutionen beinhalten Reformvorschläge  und Sparauflagen sowie eine Analyse der Tragfähigkeit der griechischen Schulden. Über das Referendum entschied das Parlament in der Nacht von Samstag auf Sonntag in einer namentlichen Abstimmung. Für die Durchführung der Volksabstimmung sprachen sich schließlich 178 Abgeordnete bzw. drei Parteien aus: SYRIZA, die rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" (ANEL) - gleichzeitig Juniorpartner in der Regierung  - und die rechtsextreme Chryssi Avgi ("Goldene Morgenröte"). Der exzentrische Finanzminister Janis Varoufakis twitterte in diesem Zusammenhang: "Die Demokratie hatte eine Injektion mit anregender Wirkung nötig. Wir haben sie gerade verabreicht." Tsipras erhebt den Vorwurf, dass die Institutionen ihm Ultimaten gestellt hätten. Das habe etwa einen Vorschlag über eine Verlängerung des laufenden Programms für Griechenkand um fünf Monate sowie  eine Finanzierung in Höhe von 15,6 Milliarden Euro betroffen. Darüber hätte, er so der Premier, innerhalb von 24 Stunden entscheiden müssen. Die Eurogruppe tagte am Samstag wie geplant in Brüssel. Sie setzte ihre Beratungen jedoch am Abend ohne die Beteiligung des griechischen Finanzministers Varoufakis fort.
Bei der Mehrheit der  griechischen Medien wird der Beschluss von SYRIZA und ANEL, eine Volksabstimmung durchzuführen, äußerst kritisch betrachtet; man spricht von "dramatischen Ereignissen". Die proeuropäischen Parteien im Parlament werfen Tsipras vor, dass er mit seinem Vorgehen das Land spalte, in den Bankrott treibe und aus dem Euro dränge.  Gleichzeitig stellen sie fest, dass im Referendum das Versagen der Regierung zum Ausdruck komme, mit den Partnern ernsthaft zu verhandeln. Tsipras  flüchte sich in die Volksabstimmung, da er unfähig sei, selbst Entscheidungen zu treffen, so der Tenor. Angesichts der Entwicklungen tagten am Samstag auch die Führungsorgane der größten Oppositionspartei, der konservativen Nea Dimokratia (ND). ND-Vorsitzender Antonis Samaras appellierte im Hinblick auf die Volksabstimmung an die proeuropäischen Parteien, an einem Strang zu ziehen. Die linksliberale Partei "To Potami" bezeichnete Tsipras und den Chef der ANEL, Panos Kammenos, als "Hasardeure, die das Land in den Abgrund stürzen." Die Vorsitzende der sozialistischen PASOK, Fofi Gennimata, verlangte den Rücktritt des Premiers und sofortige Neuwahlen. 
Nicht auszuschließen ist unterdessen ein Paradoxon: Die Griechen werden möglicherweise am 5. Juli über einen Plan der Institutionen abstimmen, der gar nicht mehr auf dem Tisch liegt. In den Medien hieß es anfangs, dass die internationalen Geldgeber ihren unterbreiteten Vorschlag zurückziehen werden. Wenig später wurde bekannt, dass die Institutionen für die am Samstag geplante Sitzung der Eurogruppe einen verbesserten Vorschlag vorgelegt hätten.
Wegen der Unsicherheit, ob die Banken am Montag öffnen werden, bildeten sich ab den Nachtstunden des Freitags Schlangen vor den Geldautomaten. Viele sollen schon leergeräumt sein. Einen kleinen Ansturm erlebten auch die Supermärkte und die Tankstellen. (Griechenland Zeitung / rs; Foto: Eurokinissi. Das Foto zeigt Premier Tsipras mit Bundeskazlerin Merkel in Brüssel).

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