Am Mittwoch und Donnerstag führt Ministerpräsident Tsipras seinen ersten offiziellen Russlandbesuch durch. Während eines Treffens mit Präsident Putin wurde u. a. der Investitionswille Russlands sondiert und es wurde die Gründung einer „Greek Pipeline“ besprochen. Eine Beendigung des russischen Embargos für griechische Produkte wird es aber nicht geben.
Moskau und Athen frischen ihre in den letzten Jahren etwas eingerosteten Beziehungen wieder auf. Das ist am Mittwoch während eines dreistündigen Treffens zwischen Ministerpräsident Alexis Tsipras und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin deutlich geworden. Es war der erste Besuch eines griechischen Regierungsoberhauptes seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise vor etwa fünf Jahren in Moskau. Zum letzten Mal hatte der Sozialist Jorgos Papandreou im Februar 2010 dort einen offiziellen absolviert. Kurz darauf brach die seither anhaltende grassierende Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland offiziell aus; Athen ist seither finanziell äußerst klamm.
Doch der vielleicht heimlich gehegte Wunsch der griechischen Seite, dass Russland sich eventuell als spendabler Geldgeber erweisen könnte, wurde in Moskau nicht erfüllt. Beide Seiten erklärten im Anschluss, dass es keine direkte finanzielle Unterstützung geben werde. Einen offiziellen Antrag habe es außerdem von Anfang an nicht gegeben.
Häfen, Bahnen und … Erdgas
Verständigen konnten sich Tsipras und Putin in mindestens drei Bereichen. Der Präsident Russlands verdeutlichte abermals sein Interesse, in griechischem Staatsbesitz in Form von Pachtverträgen zu investieren. Ganz oben auf seiner Wunschliste stehen Häfen (vor allem in Nordgriechenland) sowie die Griechische Bahn.
Weiterhin konnte man sich am Mittwoch darauf einigen, dass beidseitiges Interesse bestehe, durch die geplante „Turkish Stream“ Erdgas auch durch Griechenland weiter nach Europa zu leiten. Dieses Projekt könnte bereits Anfang 2019 den Betrieb aufnehmen. Die dafür benötigten Kosten belaufen sich auf circa 2 Milliarden Euro. Die jährlichen Einnahmen für Griechenland würden auf 500 Millionen Euro pro Jahr beziffern. Wie aus griechischen Regierungskreisen zu erfahren war, soll sich Putin dazu bereit erklärt haben, die Realisierung der Pipeline im Voraus finanziell zu unterstützen. Abbezahlen müsste Griechenland demzufolge erst, wenn die ersten Gewinne in die Staatskassen fließen. Dies wäre eine indirekte finanzielle Hilfe für das krisengeplagte Griechenland.
Zusätzlich könnte Griechenland zu einem besseren Preis Erdgas erhalten (derzeit deckt Athen seinen Erdgasbedarf zu zwei Dritteln mit russischen Lieferungen). Außerdem würden bei der Verwirklichung des Projektes neue Arbeitsplätze entstehen; im Januar lag die Arbeitslosenrate bei 25,7 %.
Differenzen scheint es lediglich bei der Namensgebung für die Pipeline gegeben zu haben. Tsipras machte von Anfang an klar, dass er den Namen „Turkish Stream“ auf griechischem Boden nicht akzeptieren werde. Für den Verlauf auf griechischem Boden müsste die Pipeline in „Greek Stream“ umbenannt werden.
Exportstopp bleibt bestehen
Nicht ganz so erfreulich waren die Resultate bezüglich des russischen Embargos für Produkte aus der EU. Putin stellte klar, dass er für ein einzelnes Land keine Ausnahme machen könne. Er ließ jedoch für eine alternative Kooperation ein Fensterchen offen. So sprach er davon, griechisch-russische Unternehmen zu gründen, die landwirtschaftliche Produkte aus Hellas nach Russland importieren und sie dort vor Ort verarbeiten. Griechenland exportiert vor allem Pfirsiche, Erdbeeren, Kiwi, Kirschen, Aprikosen, Gurken, Mandarinen, Wolfsbarsche und Meerbrassen nach Russland.
Zwei Ikonen zum Geschenk
Im Rahmen der Gespräche konnte die griechische Delegation an der Moskwa drei Abkommen unterzeichnen. So will man in den Jahren 2015 und 2016 ein gemeinsames „Aktionsprogramm“ beginnen. In einem Memorandum für das Jahr 2016 will man sich in den Bereichen Unternehmen, Kultur und Religion näher kommen. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch das 1000-jährige Jubiläum der russischen Orthodoxie auf dem Heiligen Berg Athos auf der Halbinsel Chalkidiki in Nordgriechenland. Letztendlich gab es auch eine gemeinsame Erklärung, die das Ende des zweiten Weltkrieges betrifft. In diesem Zusammenhang hat Putin seinem Gast ein ganz besonderes Geschenk gemacht: zwei Ikonen, die dem Heiligen Nikolaos und dem Heiligen Spyridon geweiht sind. Diese waren von den deutschen Besatzern aus einem Kloster in Sparta (Peloponnes) geraubt worden. Putin hat beide Ikonen erworben, um sie dem griechischen Staat zurückzugeben.
Am heutigen Donnerstag trifft sich Tsipras in Moskau noch mit dem Vorsitzenden der Staatsduma Sergei Naryschkin, Ministerpräsident Dmitri Medwedew sowie mit dem Patriarchen von Moskau Kyrill I.
Bereits im Juni wird der Regierungschef aus Athen erneut nach Russland reisen. Eingeladen worden ist er zum jährlichen Wirtschaftsforum, das in Sankt Petersburg stattfindet. – Ursprünglich sollte die jetzige Tsipras-Reise nach Russland erst am 9. Mai erfolgen. An diesem Tag feiern die Russen den Tag des Sieges über Hitlerdeutschland. Aus nicht näher erläuterten Gründen, wurde das Treffen vorverlegt.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Tsipras (l.) mit Putin.