Am 20. April beginnt der Prozess gegen die Führungsriege der Neonazi-Partei Chryssi Avgi („Goldene Morgenröte“). Ihr wird vorgeworfen, eine „kriminelle Organisation“ zu sein. Über die Wurzeln und das Phänomen des Rechtsextremismus in Griechenland sprach die Griechenland Zeitung mit dem Kenner der Materie, Ass. Prof. Dimitris Christopoulos von der Panteion-Universität, der 2014 für die Radikale Linksallianz SYRIZA für das Europaparlament kandidiert hatte.
GZ: Am 20. April beginnt der Prozess gegen die Führung der Chryssi Avgi. Welche Terminologie würden Sie zur Beschreibung dieser Partei verwenden?
CHRISTOPOULOS: Die Chryssi Avgi ist eine nazistische Partei, in ihrer Satzung zeigt sich deutlich ein Hang zum biologischen Rassismus, genau wie beim nationalsozialistische Regime der 30er und 40er Jahre in Deutschland.
GZ: Die Führung der Chryssi Avgi ist nun ungefähr eineinhalb Jahre im Gefängnis. Wie erklärt es sich, dass die Partei bei den jüngsten Wahlen am 25. Januar mehr sechs Prozent der Stimmen erhalten hat?
CHRISTOPOULOS: Die Tatsache, dass der Führungsriege der Partei im Gefängnis ist, bedeutet nicht, dass ihre potenzielle Wählerschaft und ihre Ideologie auch „inhaftiert“ ist. In diesem Moment gibt es in Griechenland all jene Voraussetzungen, die den Bereich des Rechtsextremismus politisch stark machen. Die Haft schränkt natürlich den Handlungsspielraum der Chryssi Avgi ein, aber das beraubt sie nicht der Möglichkeit, einen Teil der Bevölkerung zu vertreten, welcher sozusagen faschistisiert wurde.
GZ: Welche Voraussetzungen gibt es in Griechenland für die Existenz einer solchen Partei?
CHRISTOPOULOS: Der Rechtsextremismus hatte schon immer tiefe Wurzeln in der europäischen Politik. Außerdem sind Ideologien wie der radikale Nationalismus, der Rassismus, der Antisemitismus, die Islamophobie nicht nur im rechtsextremen Bereich des politischen Spektrums angesiedelt, sondern sie vergiften auch die Mainstream-Parteien. Als besondere Gründe haben wir hier die Immigration und natürlich die Krise. Man kann natürlich nicht einfach sagen, die Krise sei an allem schuld. Aber im Zuge der Krise ist vor allem die griechische politische Elite in Verruf geraten und hat ihre moralische Integrität verloren. Wenn sich also das politische Spektrum Mitte-Rechts als auch Mitte-Links und auch alle anderen auflösen, dann gehen daraus die Rechtsextremen als authentischste Vertreter der nationalen Erhebung hervor. Das was nun in Griechenland wegen der Politik der Europäischen Union, und vor allen Dingen jener Deutschlands, geschieht, ist, dass die Chryssi Avgi an Zulauf gewinnt, je mehr die traditionellen politischen Parteien als Optionen für die Wähler verschwinden.
GZ: Gibt es Parallelen zur Situation in Deutschland vor 1933?
CHRISTOPOULOS: Ja, ich glaube, dass ein Staat, der gebrandmarkt, allein und perspektivenlos ist, einem großen Teil seiner Bevölkerung die Möglichkeit gibt, faschistisch zu werden. Und von allen Staaten weiß Deutschland das am besten. Wenn man einen Staat ausgrenzt, ihn demütigt, wie es heute geschieht, das stärkt im Wesentlichen den Rechtsextremismus.
GZ: Manche vertreten die Ansicht, man müsse hoffen, dass es SYRIZA als Regierung Erfolg hat, weil sonst die Gefahr besteht, dass die rechtsextreme Seite noch stärker wird. Stimmen sie dem zu?
CHRISTOPOULOS: Mitte-Links und die Konservativen sind dahingeschmolzen. Wenn sich nun auch noch das Linke Spektrum auflöst, dann muss irgendjemand aufrecht bleiben. Aber wer? Die Rechtsextremen. Für die deutsche Regierung müsste meiner Ansicht nach folgender Gedankengang eine Rolle spielen: Die Linke in Griechenland ist noch immer Gesprächspartner. Wenn sie nun auch noch aufgelöst wird, dann sieht die Zukunft düster aus.
Foto: dc
Das gesamte GZ-Interview mit Ass. Prof. Dimitris Christopoulos können Sie in der neuen Ausgabe der Griechenland Zeitung lesen, die seit heute, Mittwoch, an den Kiosken, oder als PDF-Ausgabe in unserem Shop zu erwerben ist.