Die angeschlagenen deutsch-griechischen Freundschaftsbeziehungen wurden am Montag während eines Treffens zwischen Merkel und Tsipras auf höchster politischer Ebene wieder gefestigt. Besonderes Augenmerk wurde auf die in Deutschland lebende Griechen und die deutschen Touristen gelegt, die jährlich nach Griechenland kommen.
Am Montag hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen ersten offiziellen Besuch in Berlin absolviert. Empfangen wurde er mit militärischen Ehren von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach einem kurzen Gespräch haben die beiden Regierungsoberhäupter eine Pressekonferenz gegeben. Anschließend haben sie mehr als vier Stunden ein gemeinsames Geschäftsessen mit knuspriger Ente, Kartoffelpüree, Möhren und verschiedenen deutschen Käsesorten zu sich genommen. Wach geblieben sind die beiden Regierungsoberhäupter dann bis gegen Mitternacht bei Kaffee und Tee.
Reparationszahlungen und Ethik
Gesprochen haben die beiden Politiker über Griechenlands Finanz- und Wirtschaftslage, europäische Fragen, aber auch deutsche Reparationszahlungen für den II. Weltkrieg und die Schmiergeldaffäre des deutschen Unternehmens Siemens in Griechenland.
Während der gemeinsamen Pressekonferenz, die dem Abendessen voran ging, hatte Tsipras ebenfalls die beiden letzteren Punkte angesprochen.
Er schlug vor, dass Deutschland einen juristischen Beitrag für den Kampf seines Landes gegen die Korruption beitragen könne. Konkret bat er um Unterstützung bei der Aufklärung der Schmiergeldaffäre, an der Siemens Hellas beteiligt war.
Gefragt nach deutschen Reparationszahlungen und der Rückzahlung eines Zwangskredites aus dem II. Weltkrieg blieb Tsipras eher allgemein. Es gehe Griechenland dabei nicht so sehr um den finanziellen, sondern um den ethischen Aspekt.
Schluss mit den Klischees!
Beobachter bewerten das Treffen in Berlin als einen Versuch, das in den letzten Wochen deutlich angeschlagene Verhältnis der Freundschaft zwischen beiden Ländern wieder zu festigen. Tsipras stellte u. a. klar, dass Klischees wie „die Griechen sind faul“ oder „die Deutschen sind an allem schuld“ völlig realitätsfern seien. Indirekt übte er auch Kritik an seinen Vorgängerregierungen. Das Ergebnis ihrer Arbeit sei keinesfalls eine „Success Story“, wie es etwa der konservative Ministerpräsident Antonis Samaras gern zu sagen pflegte. Tsipras stellte fest, dass es in den letzten fünf Jahren in Griechenland zu enormen gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten gekommen sei.
Auch Bundeskanzlerin Merkel sprach die Freundschaft zwischen beiden Ländern an: „Wir haben enge und freundschaftliche Beziehungen zu den Menschen in Griechenland“, sagte sie und verwies auf die zahlreichen Griechen, die in Deutschland leben, aber auch auf die vielen deutschen Touristen, die ihren Urlaub in Griechenland verbringen. Weiterhin erklärte Kanzlerin: „Wir möchten, dass Griechenland wirtschaftlich stark ist, wir möchten, dass Griechenland Wachstum hat, wir möchten vor allen Dingen, dass Griechenland aus der hohen Arbeitslosigkeit herauskommt.“
Tsipras lud seine deutsche Amtskollegin zu einem offiziellen Gegenbesuch nach Athen ein, ein konkreter Termin steht noch nicht fest.
Das Eis scheint gebrochen
Dass das anschließende Arbeitsessen der beiden Politiker mehr als vier Stunden in Anspruch nahm, ist ein Zeichen dafür, wie viel die beidem Regierungsoberhäupter zu besprechen hatten. Dabei ging es lediglich um ein erstes Abtasten der gegenseitigen Positionen und Spielräume, konkrete Vereinbarungen standen nicht auf der Tagesordnung. Auf diese Lage der Fakten verwies auch die griechische Presse am Dienstag. Die konservative „Kathimerini“ titelte: „Versuch, das Eis zu brechen“. Ähnlich konstatierte „Ethnos“: „Das Eis ist in Berlin gebrochen“. Die sozialistisch-linke Efimerida ton Syntakton sprach von einem „Partnerschaftsvertrag“, und die der Regierungspartei SYRIZA nahe stehende Avgi schrieb: „Erster Schritt“. Eleftheros Typos: „Wir bekamen Tee und Sympathie – wir gaben eine Reformlisten-Schock“. Und die Wirtschaftszeitung Naftemporiki fasste zusammen: „Brücken mit Berlin“.
Kritik der Opposition: nichts Neues
Mit gemischten Gefühlen beurteilten die griechischen Oppositionsparteien das deutsch-griechische Spitzentreffen. Die größte Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) erklärte, dass die Gespräche nichts Neues gebracht hätten. Tsipras habe lediglich „das Selbstverständliche“ getan. Die liberale Partei To Potami erinnerte an Sprüche von Tsipras gegen Merkel aus der Vergangenheit, die nicht unbedingt freundlich waren. Die sozialistische PASOK, die gemeinsam mit der konservativen ND die Vorgängerregierung getragen hatte, stellte fest: Zwar habe Tsipras in Berlin eine andere Mischung der Spar- und Reformmaßnahmen angesprochen, aber nicht die Änderung der Rahmenbedingungen.
Besuch des Holocaust-Denkmals
Am Dienstag hat Tsipras seine offiziellen Kontakte in der deutschen Hauptstadt fortgesetzt. Auf dem Programm standen u. a. Begegnungen mit Außenminister Frank Walter Steinmeier; der Co-Vorsitzenden der Partei Die Linke, Katja Kipping; dem Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi; dem Vizekanzler Sigmar Gabriel und den Vorsitzenden der Grünen Cem Özdemir und Simone Peter; sowie mit der stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen im Europaparlament, Ska Keller. Vor seiner Abreise hatte Tsipras noch einen Besuch am Holocaust-Denkmal eingeplant.
Elisa Hübel
Foto: (AP Photo/Markus Schreiber // Eurokinissi)