Für Griechenland beginnt eine neue politische Ära. Das linke Kabinett des erst am Sonntag gewählten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) wurde am Dienstag vereidigt und hat sich am Mittwochvormittag zu seiner ersten Sitzung getroffen. Die Regierung besteht nur mehr aus 10 Ministerien. Dadurch gibt es weniger Minister und mehr stellvertretende Minister. Nur ein kleiner Teil von ihnen verfügt bereits über Regierungserfahrung.
Im Kabinett vertreten sind auch viele Professoren, so etwa der neue Finanzminister Jannis Varoufakis und der stellvertretende Minister für Öffentliche Ordnung und Bürgerschutz Jannis Panoussis. Letzterer stammt aus den Reihen der nicht mehr im Parlament vertretenen Demokratischen Linken (DIMAR). Durch seine Beteiligung wird dem Kabinett vor allem ein leichter Mitte-Links-Touch verliehen. Auch Politiker, die ursprünglich aus den Reihen der früheren Regierungspartei PASOK stammen und im Zuge der akuten Finanz- und Wirtschaftskrise in die Reihen von SYRIZA aufgenommen worden sind, befinden sich in der neuen Regierung, allerdings nur wenige. Fünf Mal ist der Juniorpartner „Unabhängige Griechen“ (ANEL) vertreten, die von Beobachtern häufig mit dem Attribut „rechtspopulistisch“ versehen werden. Ein großer Traum des Parteivorsitzen Panos Kammenos ging nun in Erfüllung, er leitet künftig das Verteidigungsministerium.
Eines der Ziele der frischgebackenen Regierung ist es, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und gegen die bisher dominierende Klientelpolitik und Vetternwirtschaft zu Felde ziehen. Weiterhin sollen tiefgreifende Reformen durchgesetzt werden und die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (Troika) sollen wieder aufgenommen werden. Doch als erstes sollen etwa 9.500 entlassene Staatsdiener, wieder an ihrem vorherigen Arbeitsplatz zurückkehren. Darunter sind etwa ehemalige Schulwächter, Lehrpersonal, Putzfrauen des Finanzministeriums und Verwaltungspersonal von Universitäten. Auch entlassene Journalisten, die durch die Schließung des staatlichen Fernsehens und Rundfunks ERT im Sommer 2013 ihren Job verloren, dürfen Hoffnung schöpfen. Im Gegensatz zur Praxis in früheren Jahren verspricht die Regierung auch, dass Neueinstellungen im öffentlichen Dienst künftig transparenter durchgeführt werden.
Ebenfalls rückgängig gemacht werden sollen getroffene Vereinbarungen der Vorgängerregierungen mit der Troika. Realisiert werden soll nicht zuletzt ein Verpachtungsstopp von Häfen und Flughäfen sowie der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft DEI. Ministerpräsident Tsipras bezeichnete die Privatisierung der Wett- und Glücksspielgesellschaft OPAP als „nationales Verbrechen“. Nach Meinung des Linkspolitikers wurde der Wert des staatlichen Besitzes abgewertet, „ehe er zum Ausverkauf zur Verfügung stand“.
Es gibt noch zahlreiche weitere Pläne, die das neue Kabinett so schnell als möglich in die Tat umsetzen möchte. Darunter fällt die Anhebung des Mindestlohnes auf 751 Euro. Niedrigrentner können sich auf Pensionserhöhungen freuen.
Der stellvertretende Minister für Öffentliche Ordnung und Bürgerschutz Jannis Panoussis, der u. a. als Akademiker bei der Ausbildung von Polizisten aktiv war, hat sich das Ziel gesetzt, „die Polizei mit dem Bürger wieder zu versöhnen“.
Die stellvertretende Ministerin für Migrationsfragen Tassia Christodoulopoulou will jenen Kindern, die in Griechenland geboren und aufgewachsen sind, automatisch die griechische Staatsbürgerschaft verleihen. Sie war hauptberuflich stellvertretende Lektorin für Geschichte an der Athener Pantion-Universität. Verheirate ist sie mit dem stellvertretenden Minister für Handelsschifffahrt und Ägäis, Thodoris Dritsas. Dieser wiederum gehört zu den Gründungsmitgliedern der neuen Regierungspartei SYRIZA.
Text: Elisa Hübel, Foto: Eurokinissi