Der erste Athener Weihnachtsbaum wurde im Jahr 1834 im Privathaus einer griechischen Familie aufgestellt, dem neuen Wohnsitz von Ioannis Paparrigopoulos, einem bedeutenden Mann, der am Heiligen Abend prominente Gäste empfing und sie mit dieser aus Europa importierten Neuerung überraschte. Wie ein Lauffeuer scheint sich die Nachricht von dem geschmückten Lichterbaum herumgesprochen zu haben, der offensichtlich für Aufsehen in ganz Athen sorgte und spätestens ein Jahr danach in anderen Häusern Nachahmer fand.
Heute funkeln Weihnachtsbäume an allen Ecken und Enden Athens, auf Plätzen und vor Fassaden, in Vitrinen und hinter Fensterscheiben, in Gärten und auf Balkonen. Viele sind echt, andere aus glitzernden Kunststoffen oder nur aus Glühlämpchen geformt. Wirkte der Weihnachtsbaum, vereinzelt und selten, vor etwa drei Jahrzehnten noch wie ein Fremdgewächs in einer von Palmen und Pomeranzenbäumen begrünten Stadtlandschaft, so ist er jetzt in ganz Griechenland regelrecht heimisch geworden, wird sogar in eigenen Pflanzungen herangezogen – ein Zeichen mehr für die Zugehörigkeit zu Europa, von wo er vor 181 Jahren wie aus einer anderen Welt hereingebracht worden war.
Die Geschichte des griechischen Weihnachtsbaums führt uns, wie könnte es anders sein, in die Jahre des griechischen Freiheitskampfes und in die Gründerzeit von Königreich und Hauptstadt. Man sollte meinen, es seien die Bayern im Gefolge Ottos I. gewesen, die den Weihnachtsbaum in Athen einführten, und der erste habe in den noch provisorischen königlichen Privaträumen einer Villa am Klafthmonos-Platz stehen müssen. Aber die Bayern hatten offensichtlich Weihnachten 1834 noch viel mit dem Umzug aus der alten Hauptstadt Nafplio in die neue Hauptstadt Athen zu tun, denn diese Übersiedlung fand just im Dezember statt. Darüber vergaßen sie anscheinend die traute heimatliche Sitte, Weihnachten mit geschmücktem Tannenbaum zu feiern. Wie berichtet wird, hatte der kosmopolitisch gebildete Diplomat Ioannis Paparrigopoulos (1780-1874) gerade sein stattliches neues Wohnhaus in der Plaka bezogen, das als ein erstes „Schmuckstück“ des damals noch wirren alten Viertels bestaunt wurde. Der von der Insel Naxos stammende Paparrigopoulos hatte sich 54jährig als Generalkonsul Russlands in der neuen griechischen Hauptstadt niedergelassen. Nachdem er in Moskau Jura und in Rom Medizin studiert hatte, lebte er als Auslandsgrieche vor allem in osteuropäischen Ländern und setzte sich von dort aus, mit Diplomatenpapieren offenkundig problemlos im osmanisch beherrschten Griechenland ein- und ausreisend, zwar verdeckt, aber aktiv für den Freiheitskampf ein. Er war Mitglied der 1814 von Nikolaos Skoufas, Emmanuel Xanthos und Athanasios Tsakalof in Odessa gegründeten Geheimgesellschaft „Philiki Etairia“, die sich der Aufgabe verschrieben hatte, den bewaffneten Aufstand von außen her zu unterstützen. (Allen vier Männern sind in Groß-Athen zahlreiche Straßen gewidmet). Mit wichtigen Korrespondenzen und Geldtransfers u.a. für den „Revolutionsbischof“ Germanos von Patras, jenen Metropoliten, der im peloponnesischen Kloster Aghia Lavra und am 25. März 1821 auch in Patras das Freiheitsbanner gehisst hatte, war Paparrigopoulos im Nachrichtengeschäft tätig und führte auf Grund persönlicher Beziehungen zu türkischen Offizieren Verhandlungen zur Übergabe von Antirrio und Mesolonghi.
Sein bedeutendster Gast an jenem Heiligen Abend 1834 war der im Freiheitskampf mehrfach verwundete, in Athen viel geliebte General Ioannis Makryannis, der die Akropolis entmilitarisierte und dem zu Ehren das ganze ihr zu Füßen liegende südliche Stadtviertel benannt ist.
Dass der mit russischem Weihnachtsdekor geschmückte Baum nicht nur für Makryannis, sondern offenbar für „ganz Athen“ zur denkwürdigen Überraschung in der Weihnachtsnacht wurde, ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass er nicht im, sondern vor dem Hause aufgestellt war – genau wie es heute in Athen vielfach Brauch ist. Aber das ist reine Vermutung.
(Griechenland Zeitung / spi, Foto: © Eurokinissi)
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt den festglich geschmückten Weihnachtsbaum in der Stadt Nafplio auf der Peloponnes am dortigen Syntagmatos-Platz.