Es wird immer schwieriger, aus den Äußerungen von Regierungsmitgliedern im In- und Ausland Schlussfolgerungen über den Stand der Gespräche zwischen Athen und seinen Gläubigern zu ziehen sowie eine Vorhersage zu wagen, wie sie enden werden.
Was mehr oder weniger klar sein dürfte, ist, dass Premierminister Alexis Tsipras und seine engsten Vertrauten ernsthaft bemüht sind, mit Brüssel und Washington einen Kompromiss zu finden. In diesem Sinne haben sie bereits weite Teile ihrer radikalen Agenda vor den Wahlen suspendiert oder fallengelassen. Das wird bei den Themen Privatisierungen und Steuerpolitik am deutlichsten, wo die vor dem 25. Januar angekündigten Maßnahmen nicht zurückgenommen wurden, wie vor den Wahlen versprochen.
Weniger deutlich ist aber, ob die Zugeständnisse der Regierung weit genug gehen, um die Gläubiger des Landes zufriedenzustellen. Auf der anderen Seite scheinen diese Konzessionen der Führungsriege weiten Teilen der SYRIZA-Partei zu weit zu gehen. Die Betreffenden argumentieren damit, dass dieses Einlenken grundsätzlich mit dem im Wahlkampf propagierten Programm unvereinbar sei.
Tsipras hat sich mit seiner extremen Rhetorik vor dem Urnengang am 25. Januar selbst in diese Patt-Situation hineinmanövriert. Jetzt wird er seine ganzen Überredungskünste einsetzen müssen, um sein Land und seine Regierung vor dem Bankrott retten zu können.
Als Vorteil zählt für ihn, dass ihm sowohl die Gesellschaft als auch die Wirtschaft einigen Spielraum geben. In den Meinungsumfragen liegt SYRIZA deutlich vor der paralysierten konservativen Nea Dimokratia. Obwohl die Wirtschaft wieder in eine Rezession verfallen ist, scheinen viele Sektoren weit weniger Schaden erlitten zu haben, als es die Opposition und die mit ihr befreundeten Medien behaupten.
Dimos Chatzichristou
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Ministerpräsident Tsipras während der Vereidigungszeremonie am 26. Januar – dem Tag nach seinem Wahlsieg.
