Wenn ein Regisseur einen Spielfilm drehen wollte über den Aufstieg und Fall Griechenlands, dann wäre er gut beraten, bei Vicky Stamati anzusetzen.
Mit Geschick, Charme, Opportunismus und unlauteren Machenschaften brachte es die 40-Jährige aus einfachen Verhältnissen zu großem Reichtum. Mit Hilfe der konservativen Nea Dimokratia schnappte sie sich zunächst einen Job beim staatlichen Stromkonzern DEI. Dann angelte sie sich den um 36 Jahre älteren sozialistischen Minister Akis Tsochatzopoulos. Sie heirateten in einem Pariser Luxushotel und zogen dann in ein teures Appartement am Fuß der Akropolis ein.
Nun sitzen sie beide im Knast, der Korruption überführt. Mit dem schicken, fitness-besessenen Glamour-Image der Stamati ist es vorbei. Stattdessen geistert sie mit verstörtem Blick durch die Medien und ersucht vergebens, auf freien Fuß gesetzt zu werden, um mit ihrem achtjährigen Sohn zusammen zu sein. Ihr kläglicher Ausbruchsversuch aus einer Nervenheilanstalt vergangene Woche ist nur die letzte Episode in einem längeren, traurigen Schauspiel.
Wird Stamati übermäßig hart bestraft für ihre Sünden? Wie Zehntausende anderer Griechen auch, war sie ja nur ein geschickter, wenn auch ruchloser Mitläufer im zynischen Post-Junta System der „Metapolitefsi“, das Griechenland viel Freiheit und Demokratie bescherte, aber nur wenig Rechtsstaat und solides Wirtschaften.
Wird Griechenland überhaupt zu hart bestraft für die Metapolitefsi und den Schuldenberg, den es anhäufte? Das ganze griechische Volk erscheint eine ähnliche Stimmung zu durchleben wie Stamati: eingesperrt in einer Anstalt, mit wirrem Blick wild nach einem Ausweg suchend, ohne verstanden zu haben, wie man in diese Situation gekommen ist und wie man da wieder herauskommt.
Dimos Chatzichristou