„Worauf warten wir, versammelt auf dem Marktplatz? Auf die Barbaren, die heute kommen“: das wohl bekannteste Gedicht des Alexandriners Konstantinos Kavafis, verfasst 1904, beschreibt ein müdes, abgeschlafftes Rom, das mit Angst, aber zugleich mit der Hoffnung auf den Einmarsch der Barbaren wartet: Die Stadt ist physisch und psychisch am Ende, die Barbaren scheinen der einzige Weg zu sein, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen.
Viele Griechen scheinen in ähnlicher Weise dem „Einmarsch“ der linksradikalen SYRIZA-Partei entgegenzufiebern, die allen Meinungsumfragen zufolge die Parlamentswahl am 25. Januar gewinnen dürfte. Man traut der Partei nicht so recht – ihrer Ideologie nicht, ihren Motiven nicht und erst recht nicht ihrer Erfahrung und Kompetenz. Fünf Jahre Sparpolitik haben aber viele Griechen an den Rand ihrer finanziellen oder nervlichen Belastbarkeit gebracht. Nun wollen sie es endlich wissen, sie hoffen auf den großen Durchbruch. Sie spüren, dass „diese Menschen immerhin eine Lösung“ sein könnten, um es wieder in den Worten des Dichters auszudrücken.
SYRIZA fördert bewusst diese Geisteshaltung. „Die Hoffnung kommt“, ist der Hauptslogan ihrer Kampagne, der jeden Fernsehspot beherrscht und von jedem ihrer Plakate leuchtet.
Auf die Hoffnung der Menschen zu setzen, ist aber gefährlich: Um die Wahl am Sonntag zu gewinnen, hat sich SYRIZA zur Projektionsfläche für alle Wünsche ihrer Klientel machen lassen. Dass ein großer Teil dieser Erwartungen wohl enttäuscht wird, dürfte schon vorprogrammiert sein. Die große Frage ist, wie stark der Zusammenhalt der zukünftigen SYRIZA-Fraktion sein wird, mit der Enttäuschung eines großen Teils der Bevölkerung umzugehen. Werden morgen alle SYRIZA-Abgeordneten an einem Strang ziehen oder kommt es zu den gleichen Auflösungserscheinungen, die alle griechischen Regierungen seit dem Anfang der Schuldenkrise plagten?
Dimos Chatzichristou