Organisiert worden war die Kundgebung via Facebook. Aufgerufen wurde mit den Worten: „Es war kein Selbstmord – es war Mord – lasst nicht zu, dass wir uns an den Tod gewöhnen.“ Im Gedenken an den toten Rentner hinterlegte u.a. auch eine Gruppe „empörter Motorradfahrer“ einen Kranz an der Stelle am Syntagmaplatz, wo sich der 77-jährige den Todesschuss versetzt hatte. Zu Protesten kam es auch im nordgriechischen Thessaloniki.
Emotionslastiger Abschiedsbrief
In einem
Abschiedsbrief hatte der Mann erklärt, er habe keinen anderen
Ausweg gesehen, als sich „würdevoll das Leben zu nehmen“. Er habe
es sich ersparen wollen, im Müll nach Nahrungsmitteln zu suchen.
Außerdem sprach er im Brief von einer „Besatzungsregierung“. Diese
habe sein Überleben durch eine angemessene Rente, für die er 35
Jahre lang Beiträge gezahlt habe, zu Nichte gemacht.
Medienberichten zufolge soll der Mann, bis er 1994 in Rente ging,
eine Apotheke besessen haben, die er im Anschluss verkaufte.
Er war Vater einer Tochter und lebte allein im Athener Stadtteil
Ambelokipoi. Nach Angaben seiner Nachbarn sei er politisch
interessiert gewesen mit besonderer Nähe zum linken politischen
Spektrum.
Anderen Berichten zufolge sei der Mann krank gewesen und habe sich
von seiner Rente keine Medikamente mehr leisten können. Kurz vor
seinem Tod soll er gerufen haben: „Wir dürfen unseren Kindern keine
Schulden hinterlassen!“
Die Meinung der Politiker
Tiefe Trauer über
den öffentlichen Freitod des Rentners brachten zahlreiche Politiker
zum Ausdruck. Ministerpräsident Loukas Papadimos sagte: „Es ist
tragisch, wenn sich einer unserer Mitmenschen das Leben nimmt. In
diesen für die Gesellschaft schwierigen Zeiten müssen wir alle –
Staat und Bürger – die Menschen, die sich in Verzweiflung befinden,
unterstützen.“ Der Vorsitzende der sozialistischen Partei PASOK,
Evangelos Venizelos, rief dazu auf: „Lasst uns über die Situation
in unserem Land, über die Bedingungen der nationalen Solidarität
und des sozialen Zusammenhaltes nachdenken.“ Der Vorsitzende der
konservativen Nea Dimokratia Antonis Samaras betonte: „Tod ist
nicht nur, wenn jemand stirbt, sondern auch wenn er in Verzweiflung
lebt, ohne Hoffnung.“ Die kommunistische KKE kritisierte in einer
Mitteilung „scheußliche Resultate der kapitalistischen Krise“. Der
Vorsitzende der rechtsorthodoxen Volkssammlung LAOS, Jorgos
Karatzaferis, erklärte: „Die Kugel muss direkt das Bewusstsein der
politischen Welt getroffen haben.“ Die Linksallianz Syriza teilte
mit: „Es ist die Zeit gekommen, dass die barbarische Politik, die
das Volk in unserem Land und die anderen europäischen Völker zu
Armut und Verzweiflung verurteilt, beendet wird“.
Seit Anfang des Jahres sollen sich mindestens 149 Menschen in
Griechenland das Leben genommen haben. Im ganzen Jahr 2011 waren es
511. (Griechenland Zeitung / eh, Foto: Eurokinissi)