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Mátiasma-xemátiasma: Ich aber glaube …

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Archivfoto (© Jan Hübel / Griechenland Zeitung): Ein blaues Auge als Schutz vor blauen Augen ... Archivfoto (© Jan Hübel / Griechenland Zeitung): Ein blaues Auge als Schutz vor blauen Augen ...

Am Arm sehe ich es, am Hals, am Schlüsselbund, am Ohr ... Von überall her kann mein Blick darauf fallen; und falls dieser „böse“ sein sollte, werde ich, wird dieser, von dem, worauf er gefallen ist, neutralisiert und entmachtet. Das ist das mataki, „ματάκι για μάτιασμα“, wörtlich übersetzt „Äuglein gegen Behexung“, ein Nazar-Amulett, das Auge der Fatima.

Es ist blau, weil es somit besser geeignet ist, den bösen Blick abzuwenden, der vor allem und überwiegend von blauen Augen ausgeht. Nun ja, meine sind blau-grau. Und ich schau auch manchmal böse. Das hat aber immer einen Grund. Meine Schwägerin, schon reichlich bejahrt, saß mit Vorliebe und über Stunden da und ließ die Karten sprechen, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Hatte sie immer wieder neue Fragen – oder hat ihr die erlesene Antwort nicht gefallen? Ich weiß es nicht. Mein griechischer Gatte hat in seiner Handtasche ein Amulett. Das hat ein Freund gemacht, klein, dreieckig und in braunes Klebeband fest eingewickelt. Ich weiß nur, dass unter anderem ein Fledermaus- und ein Eulenknöchlein darinnen sind. Eule? Weisheit? Warum nicht. Und Glück kann man immer brauchen. Mein Weiterbohren, ob er denn daran glaube, brachte mir die Antwort: manchmal ja, manchmal nein. Mein Mann hält auch sehr viel von Träumen. Er verfügt über ein ganzes Sortiment an Auslege-Möglichkeiten, spricht auch darüber, und dennoch erschließt es sich mir nicht. Weder die Bedeutung noch die Erfüllung. Über diese wird sowieso meist erst hinterher geredet, wenn das derart Verheißene eingetroffen ist. Wir sitzen beim elliniko zusammen am Tisch. Was? Das Tässchen ist leer getrunken – und es ist jemand (meist eine Frau) da, die aus dem Kaffeesatz lesen kann? Freude greift um sich. Auch bei mir, ich gebe es zu. Hören will ich natürlich nur, was mir gut in den Ohren klingt. Da mache ich keine Kompromisse. „Jetzt ich, jetzt ich!“, so macht es die Runde. Natürlich wollen wir hören und wissen, aber mal ehrlich: Manchmal ist es besser, man wird vom Ungemach überrascht, als dass man sich lange darauf vorbereitet. Man kann ja auch Verträge und Bündnisse abschließen. Dazu eignet sich eine Kirche, wo man mit inniger Liebe – so hoffe ich doch – die Ikonen küssen darf. Ich werde mich nicht lustig machen darüber, auch wenn ich es nicht übers Herz bringe, das auch selbst zu praktizieren. Jeder muss glauben, was ihn am Leben erhält und ihm vor allem Halt gibt in der Welt. Ich zünde auch ab und zu mal so eine feine Kerze an bei der frommen Stelle – einfach, weil es schön ist, eine Symbolhandlung halt. Und wer einmal eine griechische Osternacht in einer Kirche erlebt hat, und sei es auch nur aus kulturellem Interesse, – man kann nicht unberührt bleiben von dem, was da fast greifbar wird, wenn verkündet wird: Χριστός ανέστη! In einem von mir geschätzten Büchlein „Der Grieche pauschal“ wird erzählt, dass hier, wenn man etwas Positives über (insbesondere) ein Kind sagt, man anschließend mit einem Ftou Ftou leicht nach der Seite ausspuckt. Das soll den Neid der Götter im Zaum halten. Jaja, dachte ich damals, früher vielleicht. Nein, weiß ich jetzt: heute noch. Wenn der böse Blick, das μάτιασμα, aber einmal seine Wirkung entfaltet, dann äußert sich das zunächst in Kopfschmerzen. Dann muss ein ξεμάτιασμα (xematiasma) her. Geschichten von früher? Nein, ich habe es gestern gerade wieder mitbekommen. Hier wurde die mehrere hundert Kilometer weit entfernte Mutter angerufen, weil diese über ein derartiges Wissen oder Können verfügt. Ob das Kopfweh damit entfernt wurde? Auch das weiß ich leider nicht zu berichten. Wenn ich im Flugzeug nach Griechenland sitze, und es sitzt ein Ellinas oder eine Ellinida neben mir, dann wird schnell beim Start klar: Man bekreuzigt sich. Einfach oder mehrfach, kommt auf die Angstmenge an. Wundersame Dinge? Sie sind hier doch fast auf der Tagesordnung. Also ich muss mich nicht selten wundern ... Und es mag sein, dass die alten Götter doch noch nicht so tot sind, wie der aufgeklärte Geist es gerne hätte. Dass sie nach wie vor ihr Wesen oder Unwesen treiben. Daran will ich – spielerisch – manchmal aber ganz gerne glauben. (Griechenland Zeitung / Christa Kalaitzidis)

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