Man kann mit dem Bus oder Taxi hin, am liebsten aber schlendere ich zu Fuß vom Syntagma-Platz zum Olympiastadion, einem meiner Lieblingsbauwerke in Athen. Durch den Nationalgarten geht es am südöstlichen Ausgang auf den stark befahrenen, mit Orangen- und Zitronenbäumen gesäumten Boulevard Leoforos Vasileos Konstantinou. Und dort, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, eingebettet in einen sanften Hügel, erstrahlt das spektakuläre U-förmige Marmorstadion in blendendem Weiß.
Sein Wiederaufbau ist einem aufregenden Glücksfall zu verdanken! 1864 nämlich kaufte der griechisch-deutsche Architekt und Bauforscher Ernst Ziller ein Grundstück für sein eigenes Haus, auf dem er dann das lang gesuchte Stadion der Panathenäischen Spiele der Antike wieder entdeckte. Übrigens war das Wort „Stadion“ in der Antike ein auf die Laufdisziplinen abgestimmtes Längenmaß von 192 Metern. Aufgrund der Geländebeschaffenheit, einer nicht zu steinigen Talsenke, wurde das halbkreisförmige Stadion mit seinen abgeböschten Zuschauerhängen an dieser legendären Stätte erbaut. Der römische Mäzen und Griechenlandliebhaber Herodes Atticus ließ das Stadion mit marmornen Sitzstufen verschönern. Und 1869, beflügelt vom Glück, das antike Stadion auf seinem eigenen Grundstück entdeckt zu haben, begann Ziller mit den Grabungsarbeiten, die er aus eigener Kasse finanzierte. Doch das Stadion war unter zirca 13.000 Kubikmetern Erdmasse verschüttet und Ziller gingen die Mittel aus. Zum Glück kam König Georg I. vorbei. Er war von 1863 bis 1913 König der Hellenen und vom Projekt des Bauforschers so begeistert, dass er Zillers Grundstück aufkaufte und ihm das Geld zur weiteren Finanzierung der Ausgrabungen zur Verfügung stellte. Jetzt ging die Post aber ab! Die Ausgrabungen wurden in großem Stil fortgesetzt, Rennbahn und Zuschauertribünen freigelegt. Und vom 6. April bis zum 15. April 1896 fanden im Olympiastadion die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt! Man nennt das Stadion auch Panathinaiko-Stadion und Kallimarmaro: schöner Marmor. Auf den Tribünen ist für etwa 50.000 Zuschauer Platz, es fanden Leichtathletik-Wettkämpfe, Gewichtheben, Ringen, Turnen und 1997 die Eröffnungszeremonie der Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. Bob Dylan, Depeche Mode, Tina Turner und Black Sabbath traten im Olympiastadion auf. Zurzeit ist das Stadion eine Sehenswürdigkeit für Touristen und wird nur selten für Veranstaltungen genutzt. Wie Gulliver im Land der Riesen komme ich mir vor dem gigantischen Bauwerk vor. Und sollten Sie hingehen, so setzen Sie Ihre Sonnenbrille auf, weil das gleißende Weiß des schönen Marmors Sie ansonsten zu sehr blendet. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)