Die griechischen Schulen sollen grundlegend reformiert werden. Die Regierung verspricht mehr Entscheidungs- und Wahlfreiheit, Gewerkschaften und Teile der Gesellschaft sind misstrauisch. Wie das geschehen soll, stellte das Bildungsministerium vergangene Woche vor.
Für Griechenland nahezu unerhörte Neuerungen soll die Schulreform bringen, die letzte Woche mit einem sechzehn Punkte umfassenden Fragen-und-Antworten-Katalog der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Vorgesehen sind u. a. die freie Wahl des Schulbuchs, Entscheidungsfreiheit für Schulleitungen in wesentlichen Fragen und die Bewertung der Lehrkräfte – für die Gewerkschaften ein rotes Tuch. Um der Evaluierung den Stachel zu nehmen, beeilte sich das Bildungsministerium zu betonen, dass sie nur der Verbesserung der Betroffenen etwa durch Weiterbildungskurse dienen soll und keinesfalls bestrafenden Charakter haben wird. Da man sich in Griechenland mit einem einfachen Hochschulabschluss auf eine Stelle in einer Sekundarstufe bewerben kann – ein Lehramtsstudium im engeren Sinne gibt es nicht –, besteht sicherlich Bedarf. Die wichtigsten Neuerungen betreffen indes nicht die Bewertung der Lehrenden, die verschiedene Bildungsministerinnen und -minister seit Jahren in der einen oder anderen Form durchzudrücken versuchen. Es geht primär um die erhebliche Ausweitung der Autonomie der einzelnen Schulen in einem Land, wo das Ministerium in Athen seine Zustimmung zu Schulausflügen in den entferntesten Provinzen geben muss. Die Erweiterung der Befugnisse der Schulleitungen ist das Herzstück des neuen Gesetzentwurfs.
Trend zum kritischen Diskurs
Das Bildungsministerium rückt beispielsweise auch von der bisherigen Ein-Buch-Politik ab. Die besteht darin, dass es für jedes Fach je Jahrgangsstufe ein einziges Lehrwerk gibt – und das umsonst für alle Schüler. Diese Praxis hat den Schülerinnen und Schülern eher schlecht als recht gemachte Bücher sowie Verlagen satte und sichere Gewinne beschert. Nach der neuen Politik sollen vom staatlichen Institut für Bildungspolitik mehrere Bücher zugelassen werden, und die Lehrer dürfen frei wählen, welches ihnen am besten passt. Die anderen Bücher werden den Schülern in digitaler Form als zusätzlicher Stoff bereitgestellt. Dass die Eltern jetzt für die Bücher bezahlen müssen, wie verschiedentlich zu hören war, hat sich bislang nicht bestätigt. Das Ziel des Ministeriums lautet weg vom stoffbasierten Lernen – das heißt vor allem Auswendiglernen – und hin zum kritischen Diskurs. Außerdem kann die Lehrerin selbst entscheiden, wie die Trimesterprüfungen der Schüler aussehen sollen (etwa Klassenarbeit oder Gruppenreferate). Die Lehrkräfte bekommen auch mehr Entscheidungsfreiheit in Fragen wie den nicht zum engeren Lehrplan zählenden Aktivitäten, die bisher vom Ministerium genehmigt werden mussten. Die Regierung wirbt jedenfalls für die Akzeptanz der Reform als ein „Zeichen des Vertrauens in unsere Lehrerinnen und Lehrer“.
Schrauben an der Autonomie
Gestärkt werden soll außerdem die Autonomie der einzelnen Schulen, indem etwa die Schulleiter deutlich größere Entscheidungsbefugnisse bekommen und ihnen Stellvertreter mit konkreten Aufgabenbereichen, Koordinatoren und Mentoren zur Seite gestellt werden. Auch erhalten die Schulen das Recht, ihre Gebäude und Anlagen zu nutzen und beispielsweise für schulrelevante Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Eventuelle Einnahmen kommen der Schule zugute. Über solche Veranstaltungen befindet ein Schulrat aus Vertretern der Einrichtung und der örtlichen Kommune. Das Gesetz sieht des Weiteren in einer Art „griechisches PISA“ Neuerungen zur Bewertung der schulischen Leistungen, die Stärkung der Inklusion sowie eine Aufwertung der Ausbildung von Klerikern, die Religionsunterricht anbieten, vor. Mit Reaktionen darf gerechnet werden. Die große Frage ist daher, was von dieser Reform am Ende übrigbleibt. Bislang hat noch jede Ministerin und jeder Minister an der Bildung herumgeschraubt, wesentliche Verbesserungen im griechischen Schulwesen hat das aber nicht gebracht. (GZak)