Wussten Sie schon, dass das Wort Brot den noch im Gotischen dafür üblichen Laib (in einer Vorform) verdrängt hat, der Laib also vor dem Brot für dieses Brot verwendet wurde. Und Brot ist dann ein Stück vom Laib, und zwar das, was vom Laib abgebrochen wurde. Das schließen wir aus den Brosamen, in denen der Stamm bruar für „gebrochenes Stückchen, Bissen“ noch greifbar ist. Das Interessante ist nun, dass wir im Griechischen eine ganz ähnliche und vergleichbare Entwicklung beobachten.
In der Odyssee treffen wir an zwei Stellen auf das später und in der klassischen Zeit allgemein übliche Wort ártos für Brot und an einer anderen Stelle auf psomoi, die Pluralform von psomós im Sinne von Brocken, Stücke, Bissen, hier übrigens von (Menschen!) Fleisch. Im Alten Testament ist dann auch von einem psomós ártou die Rede, also von einem „Stück Brot“, das wiederum im Neuen Testament in der Verkleinerungsform psomi(o)n (ohne ártou) auftaucht. Dies ist der Beginn des Siegeszugs dieses Worts bis zum neugriechischen Psomí. Dazu muss natürlich gesagt werden, dass der Bedeutungsaspekt „Bissen“ dem Aspekt „gebrochenes Stück“ eindeutig untergeordnet ist. Schließlich geht es beim Essen zunächst erst einmal darum, die „Zukost“ (opson) mit Hilfe eben dieses Fladenbruchstücks in der Funktion des als Essbesteck unbekannten Löffels „aufzulöffeln“ und erst dann zuzubeißen. Und als die ersten griechischen Gastarbeiter in den Sechzigerjahren nach Deutschland kamen und überall auf „Brötchen“ stießen, die sie von zu Hause nicht kannten, nannten sie diese kurzerhand Brotákia, frei nach Psomákia, und in Bayern natürlich Semmelákia.
Hans Eideneier