Am Sonntag sollte im nordostgriechischen Kavala ein Mahnmal für die fast 1.500 Juden der Hafenstadt eingeweiht werden, die dem Holocaust zum Opfer gefallen waren. Doch plötzlich bekam die Stadt kalte Füße und scheute offenbar vor extremistischen Reaktionen zurück. Am Sonntag entschuldigte sich die Bürgermeisterin bei den griechischen Juden.
Eigentlich war schon alles fertig. Am Freitagvormittag war auf der Homepage des Israelitischen Zentralrats von Griechenland ein langer Artikel vom Vortag aus der Tageszeitung „To Ethnos“ wiedergegeben, worin die Vernichtung der 1.484 Juden von Kavala geschildert wurde. An sie sollte ein neues Mahnmal erinnern. Eine Stunde später war die Meldung plötzlich weg. Nanu?
Wenig später erschien auf der Hompage des Israelitischen Zentralrates eine neue Mitteilung, worin dieser „seinen Abscheu wegen der inakzeptablen Entscheidung der Mehrheit des Stadtratens von Kavala“ äußert. Die Enthüllung des Denkmals war plötzlich „vertagt“ worden.
Die Bürgermeisterin der Stadt, Dimitra Tsanaka, habe den Zentralrat am Vortag darüber informiert, dass sie gegen die Darstellung des Davidsterns auf dem Mahnmal sei. Sie habe darum gebeten, auf der Tafel aus schwarzem rhodesischem Granit nur die Widmungsinschrift zu belassen und den Davidstern zu entfernen. Dieses Ansinnen weise das griechische Judentum als „inakzeptabel, unmoralisch und beleidigend“ zurück, heißt es weiter.
Die Juden von Kavala und ganz Griechenland, aber auch sechs Millionen ihrer Glaubensbrüder in ganz Europa seien mit dem Davidstern am Rockaufschlag in die Vernichtungslager deportiert worden. Er sei außerdem das religiöse Symbol, das „die Juden seit 5.700 Jahren am Leben erhalten hat“.
„Intolerante, nationalistische und rassistische Elemente“
Die örtliche Parteiorganisation des regierenden Linksbündnisses SYRIZA sprach in einer Ankündigung am Freitag von „intoleranten, nationalistischen und rassistischen Elementen“ in der regierenden Stadtratsfraktion und im Umfeld der Bürgermeisterin. Auch die SYRIZA-Zentrale in Athen und alle anderen Parlamentsparteien mit Ausnahme der Kommunisten und natürlich der neonazistischen Goldenen Morgenröte protestierten am Samstag gegen die eigentlich unfassbare Entscheidung, das Holocaust-Denkmal wegen angeblicher „ästhetischer Bedenken“ nicht einzuweihen. Sogar der in der Vergangenheit durch antisemitische Verschwörungstheorien aufgefallene Juniorpartner der Regierungskoalition, die rechtspopulistische Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL), sprach von einem „rassistischen Beschluss“ des Stadtrates von Kavala.
Die Bürgermeisterin entschuldigte sich öffentlich
Am Sonntag entschuldigte sich Bürgermeisterin Tsanaka vor ungefähr 100 Personen, die sich zunächst im Stadtpark und dann vor dem Rathaus versammelt hatten, um gegen den Beschluss der Stadtoberen zu protestieren. Unter ihnen waren auch die Nachkommen von Juden aus Kavala, die für die Denkmalsenthüllung extra aus Israel angereist waren. Tsanaka räumte ein, dass erheblicher Druck wegen der Form des Mahnmals auf sie ausgeübt worden sei, das sie übrigens erst am Donnerstag zu Gesicht bekommen haben will. Diese Reaktionen hätten aber ausschließlich den Schutz des Mahnmals vor Vandalismen im Auge gehabt, behauptete Tsanaka. Schließlich kündigte sie an, dass das Mahnmal in der bestehenden Form voraussichtlich am 7. Juni eingeweiht werden soll. Ein entsprechender Brief an den Israelitischen Zentralrat folgte am Montag.
Mehr zu diesem Thema und über die Vernichtung der jüdischen Gemeinde von Kavala im März 1943 erfahren Sie in der jüngsten Ausgabe der Griechenland Zeitung, die am Mittwoch erscheint.
(Griechenland Zeitung / ak, Foto: Eurokinissi)
Unser Foto (© Eurokinissi) entstand im Mai 2011 während eines Besuches des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäos I., in Kavala.