Eine Reisereminiszenz von Ursula Spindler-Niros.
Meine letzte Zugreise durch Griechenland liegt 28 Jahre zurück: Damals bin ich mit dem „Hellas-Express" quer durch den Balkan von München nach Athen gereist. Dieser Zug hielt, sowie wir die griechische Grenze passiert hatten, an jedem Bahnhof und brauchte mindestens das Doppelte an Zeit. Und immer noch fühlte ich mich, wie zuvor zwischen Zagreb und Skopje, voll auf dem Balkan, zumal die hygienischen Verhältnisse nach zwei Nächten und einem Tag Unterwegssein sich auch auf griechischem Boden nicht eben gebessert hatten. Das soll auch heute, wo man statt zwei (Österreich und Jugoslawien) fünf Länder durchqueren muss, absolut nicht anders, wenn nicht schlimmer sein, so habe ich mir jedenfalls sagen lassen.
Damals, 1978, im „Balkan-Express"
Nun aber, bei meiner jüngsten Bahnfahrt hätte ich mich, wenn ich nicht aus dem Fenster geguckt hätte, in Deutschland gewähnt: Ich glitt in einem stromlinienförmig-eleganten Gefährt mit schicker, bequemer und äußerst reinlicher Ausstattung dahin. Die Abteile wurden etwa alle 20 Minuten von einer Raumpflegerin von eventuellen Abfällen befreit, und ich genoss einen Filterkaffee, wie er in meiner ursprünglichen Heimat nicht besser hätte gebraut sein können.
Beim Kaffeetrinken auf meinem vorausgemieteten blauen Polsterplatz schweiften meine Gedanken wieder zu jener Balkanexpress-Reise von 1978 zurück, nun aber mit ganz nostalgischen Gefühlen. Allen Ankündigungen zuwider war jenem Zug in Salzburg kein Speisewagen angekuppelt worden, auch nicht in Graz, nicht in Maribor, Ljubljana, Zagreb, Belgrad oder Nis, sondern erst in Thessaloniki: Und dort widerfuhr mir nach 30-stündigem Darben ein unvergesslicher lukullischer Genuss: griechische „Mezedakia". Und dieser Gaumenschmaus wurde in einer ebenso unvergesslichen Atmosphäre angeboten, zwischen Samtpolstersesseln, Brokat-Vorhängen, damastgedeckten Tischen und kristallenen Wandleuchten, bedient von Kellnern in gestreiften Westen. In diesem heute vergangenen Glanz fühlte ich mich wie eine Orientreisende im Privatsalon des Fin de Siecle – und dies in einem sonst völlig verdreckten Zug ...
Erinnerung an den„Akropolis-Express"
Zurück zur kürzlichen Thessalonikireise: Die Landschaften Böotiens, Thessaliens und schließlich Makedoniens, die vor den Panoramafenstern mit Hügeln und Senken, hohen Bergen und weiten Ebenen und schließlich mit dem Meer und den breiten Unterläufen mündender Flüsse vorbeizogen, waren dieses Jahr trotz des vorgerückten Sommers besonders grün, und das Meer dehnte sich in jener Bläue, die Ferien verheißt. Eine solche Fahrt durch „Sterea-Ellada" (Festland-Griechenland) kann ich nur jedem empfehlen, zumal am jeweiligen Ende (oder Anfang) der Strecke zwei faszinierende, in Charakter und Atmosphäre unterschiedliche Großstädte warten.Auf der Rückreise gab es keinen Platz im Intercity und ich saß an einem Sonntagnachmittag in einem ganz normalen Eilzug: Er hatte genau dieselbe bequeme Ausstattung, aber keinen Filterkaffee. Und er war knallvoll, vor allem mit jungen Leuten: Studenten auf dem Weg nach Volos, Larissa, Athen oder Piräus. Und natürlich hielt er unendlich viele Male. Zeit genug, mich wieder zu erinnern, dieses Mal an eine andere Reise, als ich 1970, selbst Studentin, auf einer Seminar-Exkursion im „Akropolis-Express" saß – meine allererste Griechenlandreise. Auch damals hielt der Zug unendlich viele Male, doch ich blickte nicht genervt wie heute auf die immergleiche Folge kleiner Bahnsteige in kleinen Bahnhöfen, sondern erwartungsvoll auf alles Neue, Andere, Griechische. Noch höre ich den leichten Spott unseres Archäologie-Professors über unser angestrengtes Hinaussehen: „Ja, da muss ich Sie enttäuschen, in Hellas steht nicht an jedem Bahnhof ein Parthenon." Aber damals wie heute sah ich vom Zug aus z.B. den Olymp und die Thermopylen – es wurde aus hehren Begriffen Wirklichkeit. Die Thermopylen erblickt man auf der Zugstrecke von landeinwärts her, von wilden felsigen Höhen aus, in denen auch der Expresszug langsam an Abgründen einher fährt, wo vielleicht auch jener von Ephialtes verratene Bergpfad verlief, auf dem sich die Perser 480 v.Chr. den am Engpass lauernden Spartanern unter Leonidas, von der anderen als der erwarteten Seite her näherten und in den Rücken fielen.
Zeit genug, mich wieder zu erinnern, dieses Mal an eine andere Reise, als ich 1970, selbst Studentin, auf einer Seminar-Exkursion im „Akropolis-Express" saß – meine allererste Griechenlandreise. Auch damals hielt der Zug unendlich viele Male, doch ich blickte nicht genervt wie heute auf die immergleiche Folge kleiner Bahnsteige in kleinen Bahnhöfen, sondern erwartungsvoll auf alles Neue, Andere, Griechische. Noch höre ich den leichten Spott unseres Archäologie-Professors über unser angestrengtes Hinaussehen: „Ja, da muss ich Sie enttäuschen, in Hellas steht nicht an jedem Bahnhof ein Parthenon." Aber damals wie heute sah ich vom Zug aus z.B. den Olymp und die Thermopylen – es wurde aus hehren Begriffen Wirklichkeit. Die Thermopylen erblickt man auf der Zugstrecke von landeinwärts her, von wilden felsigen Höhen aus, in denen auch der Expresszug langsam an Abgründen einher fährt, wo vielleicht auch jener von Ephialtes verratene Bergpfad verlief, auf dem sich die Perser 480 v.Chr. den am Engpass lauernden Spartanern unter Leonidas, von der anderen als der erwarteten Seite her näherten und in den Rücken fielen.Ein Bahnhof wie ein kleines Schloss
In Athen fährt der Zug des Jahres 2006 in eine europäische Großstadt ein – keine nicht asphaltierten Straßen, keine kleinen bunten Häuser mehr am Stadtrand, keine Hühner mehr auf den Schienen. Aber der Bahnhof, der kleine altmodische „Stathmos Larissis", ist immer noch derselbe „Provinzbahnhof", jedoch aus der Zeit, wo Bahnhöfe kleinen Schlössern glichen – und bestens resta
©Griechenland Zeitung, erschienen in Ausgabe Nr.56