Als Außenminister der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung PASOK verbrachte er mehr Stunden in der Luft als auf dem Erdboden. Von Kindesbeinen an war er in aller Welt zu Hause. Ein Foto aus den 1970er Jahren zeigt ihn mit zwei Koffern in den Händen und einem Rucksack – Symbol der Wanderungen und Spurensuche seiner Generation.
Im März 2004 suchte er bei den Parlamentswahlen die Herausforderung auf dem Gipfel. Papandreou – erst einen Monat zuvor zum Parteivorsitzenden gewählt – schaffte es jedoch nicht, die PASOK erneut zur stärksten Partei im griechischen Parlament zu machen und unterlag dem Spitzenkandidaten der ND, Kostas Karamanlis. Der Sprung in s Amt des Regierungschefs gelang ihm jedoch im Oktober 2009 mit dem sich später als verhängnisvoll erweisenden Slogan „Geld ist genug da!“ Papandreou hatte die sich bereits in den Jahren davor abzeichnende Schuldenkrise unterschätzt: 2010 musste er das Land unter den Schutz des europäischen Partner sowie des Internationalen Währungsfonds stellen. Ohne deren Hilfskredite wäre das Land in den Bankrott gesteuert. Und ein Jahr später musste er von seinem Amt zurücktreten. Kleiner Trost: Er war der dritte Vertreter derselben Familie als Regierungschef. Sein gleichnamiger Großvater hatte dieses Amt in den 1960er Jahren inne, sein Vater Andreas Papandreou war Ministerpräsident von 1981 bis 1989 und von 1993 bis 1996.
Musik von Bob Dylan und Co – seine große Leidenschaft
Wäre er nicht Politiker geworden, würde seine Profession wohl im musikalischen Bereich angesiedelt sein. Als sein heute schütteres Haar noch voller und länger war und ein Bart sein Kinn zierte, konnte man sich Papandreou ohne weiteres als Protestsänger vorstellen – Bob Dylan auf Griechisch. Tatsächlich hatte der jetzige Spitzenkandidat seinerzeit eine Band mit dem Namen „Atommüll" gegründet, in der er die Gitarre zupfte. Wenn er könnte, würde er gerne Musik schreiben, heißt es. Zu seinen bevorzugten Komponisten gehören Arvo Pärt, Manos Chatzidakis und Thanos Mikroutsikos; auf keinen Fall verachtet er Jazz. In einem Curriculum vitae stünde unter der Kategorie „Hobbys" außerdem: Fotografie, Joggen und Radfahren.
Seit 1999 Außenminister mit großer Anerkennung
Etwas vom Häretischen der Hippie- und Rockgeneration haftete Papandreou stets an. Schließlich stieg er 1981 aber doch in die Politik ein und erlebte den Triumph seines Vaters Andreas Papandreou, der damals im Herbst mit seiner Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK) die absolute Mehrheit im Parlament eroberte. In den Jahren danach schlug sich die Protest-Seite des Politikers in „abweichenden" Meinungen nieder. Fernab der offiziellen Parteilinie lag Jorgos Papandreou etwa mit seinen Ansichten im Bereich Drogenpolitik, bei der Befürwortung des nichtstaatlichen privaten Rundfunks oder bei seinem Einsatz für den Minderheitenschutz. Erstmals zum Minister (Bildung und Religion) bestimmte ihn sein Vater von 1994-1996. Kostas Simitis machte ihn dann 1999 zum Außenminister – eine Funktion, die er bis zu seiner Kür zum PASOK-Chef (2004) innehatte und die ihm Anerkennung über die Grenzen hinaus verschaffte. Vor allem durch seine Politik gegenüber der Türkei avancierte Papandreou zum Architekten der Annäherung mit dem östlichen Nachbarn.
Ein Kosmopolit in jeder Hinsicht
Geboren wurde Jorgos Papandreou am 16. Juni 1952 in St. Paul Minnesota als 4. Kind aus der zweiten Ehe seines Vaters Andreas mit Margarete Chad. In 12 Jahren besuchte Jorgos acht verschiedene Schulen: in den USA, in Griechenland, in Schweden und Kanada. Papandreou studierte Gesellschaftswissenschaften und internationale Beziehungen am Amherst College in Massachusetts, an der Uni Stockholm, an der London School of Economics und in Harvard.
Kosmopolitisch geprägt ist Papandreou durch seine familiäre Konstellation: Der Vater ist Grieche, die Mutter Amerikanerin, seine Großmutter Polin und auch eine schwedische Halbschwester gehört zur weiteren Familie. Verheiratet ist Jorgos Papandreou seit 1989 mit Ada. Gemeinsam haben sie zwei Kinder: Andreas (geb. 1982) und Margarita-Elena (geb. 1990).
Mit der Politik groß geworden, Papandreou ist modern und beliebt
Auf Papandreou trifft der viel benutzte Spruch, dass ihm die Politik in die Wiege gelegt wurde, tatsächlich zu. Mit zwölf erlebte er den Wahlkampf an der Seite seines Vaters, wenig später dessen Verhaftung und das Exil. Als Student nahm Papandreou u. a. in Kanada an einem Hungerstreik gegen die Junta in seiner Heimat teil. Großen Einfluss übte auf den späteren Politiker auch das sozialstaatliche Modell der schwedischen Sozialdemokratie aus.
Das Image vom braven Jungen aber, der es sich mit niemandem verderben will, legen manche nicht zu seinem Vorteil aus. Er sei zu nachgiebig, meinen sie, und noch dazu „amerika-freundlich". Sein Charakter, gewisse rhetorische Mängel, machen Papandreou nicht gerade zu einem Dompteur der Massen. Statt sie mit feurigen Reden mitreißen zu müssen, würde er es wohl vorziehen, sie mit Balladen auf seine Seite zu ziehen.
In seine politische Laufbahn scheinen also – im positiven wie im negativen Sinne – die Verse von Bob Dylan eingeflochten zu sein: „The times they are a-changing".
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