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Rhodos – Eine Stadt wie keine zweite

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Belebteste Altstadtgasse: Die Odos Sokratous (Fotos: GZcb). Belebteste Altstadtgasse: Die Odos Sokratous (Fotos: GZcb).

30 Stunden auf Rhodos, Teil 2

Können Städte schöner sein? Die Altstadt von Rhodos lädt innerhalb ihrer vier Kilometer langen Mauern zu einer Zeitenreise durch 2.400 Jahre ein. Direkt vor den Mauern liegt einer der schönsten Häfen Griechenlands, garniert mit teils protzenden, teils angenehm verspielten Gebäuden aus italienischer Besatzungszeit. Vor der Neustadt erstreckt sich ein langer Strand – und zur Landschaftskulisse gehören die kleinasiatischen Berge.

Die Kreuzfahrer sind ihr Schicksal. Erst kamen 1309 die Johanniterritter und blieben über 210 Jahre lang. Jetzt füllen Kreuzfahrturlauber die Gassen der Ritterstadt. Auf ihren Schiffen arbeiten keine Galeerensklaven mehr, sondern überwiegend Filippinos. Den Rhodiern sind beide Kreuzfahrertypen lieb: Im Mittelalter haben sie der Insel neben Fronarbeit auch Wohlstand gebracht, den die modernen Kreuzfahrer heute ganz überwiegend fotografieren. Und zu knipsen gibt's viel: Nirgendwo auf der Welt ist eine mittelalterliche Stadt so nahezu unversehrt erhalten geblieben wie diese.

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Stumme Zeitzeugen: Die Grabsteine auf dem osmanischen Friedhof

Nachfahren früherer Besatzer

Zwei andere Typen von Urlaubern waren auch schon einmal in anderer Mission hier. Israelis kommen jetzt in großen Scharen auf die Insel – oft nur, um im eleganten Spielcasino der Stadt ihr Glück zu versuchen. Viele kommen mit dem Flieger, andere mit Schiffen, die nur für eine Nacht andampfen – am nächsten Tag geht's wieder zurück ins Heilige Land. In der osmanischen Besatzungszeit der Insel (1522-1913) waren die Juden ein zwar oft ungeliebter, aber lebensnotwendiger Teil der städtischen Bevölkerung. Eine ihrer Synagogen ist heute im ehemaligen Ghetto wieder geöffnet. Nur wenige Schritte davon entfernt steht ein Holocaust-Denkmal, beschallt von zwei Dutzend krächzender Papageien der umliegenden Restaurants. Die deutschen Besatzer haben 1944 mindestens 1.651 Bewohner jüdischen Glaubens in ihre Vernichtungslager deportiert.

Die Nachfahren der osmanischen Besatzer kommen jetzt überwiegend als Tagestouristen herüber. Kleinasien ist ja nur 34 Kilometer entfernt; es herrscht ein reger Fähr- und Ausflugsverkehr. Den rhodischen Wirten sind sie fast die liebsten Gäste: Sie wissen, wie ein Grieche in Vorkrisenzeiten zu leben. Sitzen stundenlang beim Essen, bestellen viel mehr als sie jemals verzehren können. Für türkische Reisegruppen werden in den Restaurants Folkloreabende organisiert: Die Musik kommt den Nachbarn ja sehr bekannt vor – und für die Texte wird manchmal sogar ein Simultandolmetscher engagiert. Sehr fremd fühlen sich die Türken auch sonst in der Altstadt kaum: Nirgendwo in Hellas stehen so viele Moscheen samt Minaretten so dicht beieinander. Eine ist sogar noch tagsüber für betende Muslime geöffnet: Immerhin leben auf Rhodos ja noch über 1.000 türkischstämmige Muslime mit griechischem Pass.

Im Sommer auf nach „Rodi“

Gemeinsame Geschichte verbindet. Das bezeugen auch die vielen Italiener, die vor allem im Juli/August die viertgrößte Insel Griechenlands überschwemmen oder auf „Rodi“ sogar Ferienvillen besitzen. Ihre Vorfahren waren – weitaus unfreundlicher – zwischen 1912 und 1943 hier. Sie haben die Stadt – dummerweise muss es geschrieben werden – eigentlich erst so schön gemacht, wie sie heute ist. Einige ihrer Verwaltungsbauten an der breiten Uferstraße der Neustadt – Rathaus, Theater, Hauptpost, Hafenamt und Bank von Griechenland – künden zwar von faschistischer Protzigkeit, halten sich aber in noch erträglichem Rahmen. Andere sind ganz orientalisch verspielt, erinnern an des Duce Pläne, noch viel weiter nach Osten vorzudringen. Das Marktgebäude der Nea Agora und der Bischofspalast sind die besten Beispiele dafür. Ihr ehemaliges Offizierskasino ist jetzt als „Aktaion“ das Edelcafé der Stadt (mit angeschlossener Hüpfburg für Kinder), ihr Nachtclub „Elli“ zählt heute als „Ronda“ zu den besten Beach Bars des Landes.

Viel geleistet haben auf Rhodos Italiener auch als Archäologen. Viele der Johanniterritter stammten ja vom Stiefel, Denkmalspflege hier bedeutete auch ein Herausputzen der einstigen Größe Italiens. Den Sitz des Ordensfürsten, den Großmeisterpalast, haben sie sogar fast völlig neu aufgebaut: Mussolini hätte bei einem Besuch der Insel, zu dem es nie kam, darin residieren wollen. Auch das Stadion der antiken Stadt Rhodos, die noch größer war als heute Alt- und Neustadt zusammen, haben sie restauriert, die Säulen eines Tempels da oben teilweise wieder aufgerichtet.

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Stilvoll in der Altstadt wohnen: Hotel Avalon

Fleißige Archäologen

Archäologisch sehr aktiv sind jetzt auch die griechischen Archäologen. Wo in der Altstadt ausnahmsweise einmal eins der mittelalterlichen Häuser kollabiert, setzen sie sofort den Spaten an und stoßen auf Antikes. Ihre Funde aus den letzten drei Jahrzehnten sind jetzt in Sonderausstellungen im Großmeisterpalast und im Archäologischen Museum zu sehen. Fotografieren verboten: Die fleißigen Gräber kommen mit der Veröffentlichung und Interpretation ihrer Ergebnisse nicht nach. Scha(n)de!

Unschuldig sind die Archäologen allerdings daran, dass der berühmte Koloss von Rhodos weiterhin eine Schimäre bleibt. Stand der 354 Meter hohe Bronze-Sonnengott auf der Akropolis oder über der Hafeneinfahrt, wo heute zwei Säulen die rhodischen Wappentiere Hirsch und Hirschkuh, Elafos und Elafina, tragen? Überreste haben Taucher dort nie finden können – die Statue war ja aus Bronze, konnte zu Waffen umgeschmiedet werden. Das haben wohl spätestens die Byzantiner getan, denn auch die waren hier. Von ihrer Präsenz zeugen zahlreiche kleine Kirchlein in der Altstadt. Manche von ihnen wurden von den Osmanen später als Moscheen genutzt. Einige wenige sind noch mit Fresken geschmützt – so wie die weit unterm heutigen Bodenniveau liegende Kirche des Agios Fanourios, der als Schutzheiliger für Alle da ist, die etwas verloren oder vergessen haben.

Rembetiko bis zum Tagesanbruch

Kosmopolitisch wie in den letzten 2.400 Jahren ist Rhodos auch heute noch. Als in Athen die ersten chinesischen Restaurants Pleite gingen, weil die Wirte kein Brot auf den Tisch stellten, sind die Rhodier hier schon exotisch essen gegangen und haben das Brot nicht vermisst. Heute ist die neue Rodos Sushi Show Bar wohl das größte asiatische Restaurant Griechenlands. Im Altstadtrestaurant „Mama Sofia“, das eine Familie vom benachbarten Inselzwerg Tilos betreibt, hat der Enkel des Chefs eine Japanerin geheiratet. Sie erklärt jetzt ihren Landsleuten, was „fouskes“ sind, die selbst viele Griechen nicht kennen: essbare, aber äußerst unansehnliche See-Anemonen. Im einzigen Floating Restaurant Griechenlands steht ein belgischer Chefkoch am Herd, und an der Fassade des „Koukos“ mit seiner Multikulti-Cuisine prangt eine urdeutsche Kuckucksuhr.

Bei aller Internationalität aber hält sich in Rhodos aber auch Altes. Herr Kaberis röstet in der Hauptgasse der Altstadt zwischen lauter Souvenirgeschäften noch fleißig weiter Kaffee (jetzt auch koffeinfrei), Nikos und Vassilis schneiden und nähen ein paar Läden weiter Taschen, Gürtel und  sogar Patronengurte aus dem Stapel Rindsleder, der im Laden bereit liegt. Im Café Chantant in der Altstadt spielt in jeder Nacht von Samstag auf Sonntag ein zehnköpfiges Ensemble Rembetika – zwischen 0 und 5 Uhr, wenn die Touristen zumeist schon im Bett oder in den Diskos von Faliraki sind.

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Einst Ordenshospital, heute Archäologisches Museum

Alte Häuser werden zu Hotels

Die Touristen freilich tragen wesentlich dazu bei, dass die Altstadt noch weitgehend intakt ist. Ohne sie gäbe es kaum Läden und Lokale – und auch viele Häuser wären unbewohnt. Die Einheimischen fühlen sich in der Neustadt oder in den Dörfern am Stadtrand wohler. Immer mehr alte Häuser innerhalb der mittelalterlichen Mauern werden der Fremden wegen zu Hotels; jede Preislage ist dabei vertreten. Ausländer kaufen hier auch verstärkt Immobilien. Makler Georg Petras (Autor des GZ-Buches „Let's go Hellas – Griechenland, jetzt erst recht“), weiß davon ein positives Lied zu singen. Erdogan hat dem Immobilienmarkt auf der Insel zusätzlichen Aufschwung verliehen: Viele Ausländer, die eine Wohnung oder ein Haus in der Türkei besitzen, siedeln jetzt auf die griechische Insel über. So hat das Böse oft auch Gutes, wie die Rhodier aus ihrer 2.400-jährigen Geschichte wissen. Ein Beispiel dafür sieht man in Mengen in den Wallgräben, auf Altstadtplätzen und im Innenhof des Archäologischen Museums: Da sind jetzt einst Verderben bringende Kanonenkugeln zu schönen Pyramiden aufgeschichtet.

Von Klaus Bötig

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Fast vier Kilometer lang: die Stadtmauern

WEITERE INFOS:

Sehr informativ: www.ando.gr/eot (mit stets aktuellen Öffnungszeiten und Fahrplänen)

Offiziell: www.rodos.gr (Website des Dimos/Gemeinde, griechisch/englisch)

Reiseführer: Merian Momente, Merian live!, Marco Polo, alle drei von GZ-Autor Klaus Bötig

Literaturtipp: Lawrence Durrell: Leuchtende Orangen (Rhodos-Klassiker, der Rhodos kurz nach dem Zweiten Weltkrieg beschreibt)

 

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