Kea oder Tzia: Einen Katzensprung von Athen entfernt, Teil 2
Die kleine Insel Kea liegt nicht an den großen Fährrouten, ist nicht direkt über den Hafen von Piräus zu erreichen, sondern mit den Fähren ab Lavrio – und schon gehört sie den Griechen selbst. In dieser Folge stehen u. a. ein Besuch des Museums im Hauptort Ioulida auf dem Programm, gutes Essen in einer Taverne.
Im Museum von Ioulida staunen wir über große Tonfiguren aus Agia Irini, die wie Riesenvergrößerungen der minoischen Miniaturen der Frauen mit dem weiten Rock und der engen Taille aussehen, die wir aus Kreta kennen. An den Wänden hängen tolle Aufnahmen von Karthea, der Stadt am Meer mit den Resten des Apollo- und des Artemistempels. Da wollen wir hin!
Von der Straße auf der Inselmitte führt ein steiler Mulipfad runter zum Meer, ein sehr schöner Weg mit Blicken auf die Vegetation: Mandelbäume wie weiß-rosa Schaum, Anemonen, Narzissen und andere Blumen, so dass ich vor lauter Fotos kaum weiter komme. Der Weg ist schon etwas steil und beschwerlich, aber so schön, dass man da freiwillig den ganzen Tag rauf und runter laufen könnte. Nach fast einer Stunde kommen wir an eine Traumbucht mit weißem Kirchlein, oben auf der Felsnase Reste eines Tempels, gut ausgegraben und gesichert, sehr malerisch ausgestellt. Um die Ecke der nächste Tempel in einer spektakulären Lage zwischen zwei filmkulissenreifen Buchten.
Plötzlich schlägt das Wetter um. Wir schaffen es fast trocken bis ins Auto und hoppeln den Feldweg bis zur Straße hoch. Wolken ziehen auf, so schnell wie Wasser fließt. Schon ist alles zugezogen, nichts mehr ist zu sehen. Wir folgen der Straße weiter, aber man ahnt, wie schön und wie verlassen diese Seite von Kea ist. Fruchtbare Hochebenen im Inneren, eine steile Küste außen, Kea vereint in sich starke Gegensätze.
In der Taverne „To Steki“ isst man ausgezeichnet.
Zum Nachtisch Thymianhonig
Abends suchen wir das sehr empfehlenswerte Lokal „To Steki“, das im Winter nur am Wochenende geöffnet hat. Wir sind zunächst die einzigen Gäste, eben hungrige Wanderer. Aber nicht lange, dann setzt sich der Losverkäufer zu uns, ein einfacher Mann, der lange Passagen Homer auswendig kann. Er schlägt sich knapp durch mit seinem Gewerbe. Nach und nach füllt sich die Taverne. Wir essen geschmortes Kaninchen in Weinsoße, sehr lecker. Zum Nachtisch gibt es Joghurt mit dem Stolz der Inselbewohner, dem vielgerühmten Thymianhonig. Einheimische wie Wochenendbesucher lassen es sich im gemütlichen Gastraum wohl sein. Im Sommer sitzt man draußen vor der Kirche. Ist hier dann die Dependence des Paradiesgartens?
Wir wollen am nächsten Tag einen Ausflug über die Insel machen. Die andere Seite der Insel müssen wir noch besuchen, unbedingt. Bei Agia Marina soll ein Turm aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Sein. Den finden wir auch. Der Turm bröckelt vor sich hin. Am Ende des 19. Jahrhunderts war er noch intakt und komplett. Jetzt ist die Mauer nach außen ausgebeult und notdürftig von einem Brett abgestützt. Sonst ist nur ein Absperrgitter darum herum gezogen, damit kein Tourist zu Schaden kommt. Absolute Stille, Idylle. Ein grünes Tal, Mandelbäumchen, große Platanen, sehr schön. Keine Dörfer mehr, nur einzelne Häuser, auch nicht ganzjährig bewohnt. Ein enges Tal, Brückenreste, terrassierte Hänge. In der Antike war Kea dicht besiedelt und galt als wohlhabende Insel. Man ahnt, dass Kea bis ins 20. Jahrhundert hinein noch stärker bewohnt war und nun nur der Rest der Bevölkerung lebt, der nicht emigriert ist – aufs Festland, nach Athen, oder gleich ins Ausland.
Ein Werk von Alekos Fassianos
Nur kleine Ferienhäuser
Wir fahren den Feldweg weiter, immer höher, bis es uns zu unwegsam wird. So schöne Ausblicke, alles malerisch und unfassbar schön. Auf einer etwas größeren Straße fahren wir zügig nach Pisses, wo im Reiseführer eine Ortschaft mit landwirtschaftlicher Anbaufläche im Tal und ein schöner Strand angekündigt sind. Kein Hotel, kein Lokal und auch sonst nicht wirklich verlockend. Wir fahren rund um die Bucht herum auf die andere Inselseite, wo uns intensive Bautätigkeit auffällt. Alles schöne, stilvolle Häuser, aber doch einfach zu viele für die kleinen Stücke Strand. Ein Architekt scheint hier alles in der Hand zu haben. Wie das wohl im Sommer hier aussieht? Und alle müssen über die Hoppelstraße. Wenn aus jedem der 100 Häuser nur einmal am Tag jemand mit dem Auto hin- und her fährt? Nicht auszudenken. Alles ist noch harmlos im Vergleich mit anderen Strandsiedlungen in Europa. Vor allem gibt es hier keine großen Hotels, nur kleine Ferienhäuser, aber es ist doch ein Eingriff in die Inselstruktur. Jetzt wissen wir, weshalb die Fähre voll mit Transportern voller Baumaterial war!
Abends gießt es noch einmal heftig. Man kann im Winter nicht Sommer erwarten, eher das, was wir in Deutschland unter „Aprilwetter“ verstehen: Alles ist drin. Uns gefällt die Abwechslung. Man muss flexibel sein!
Eine Stunde und zehn Minuten Überfahrt nach Lavrio, schon sind wir zurück im Athener Alltag nach einem herrlichen Frühlingsausflug im Februar.
Text und Fotos von Hiltrud Koch
„Hohle Gasse“ in Ioulida