Traditionelles Auferstehungsfest auf Karpathos Ein Abenteuer ist die Fahrt in den nördlichen Inselteil von Karpathos, zum abgelegenen Dorf Olympos. Es ist berühmt für seine alten Trachten und traditionellen Bräuche.
Griechenland/Dodekanes. Die Steinpiste, die aus dem Fels gehauen wurde und sich an Berggipfeln, tiefen Schluchten und steilen Terrassenfeldern entlang windet, bietet atemberaubende Ausblicke. Die meisten Bewohner und Besucher fahren mit dem Schiff nach Diafani, dem kleinen Hafen bei Olympos.
Es hat sich längst herumgesprochen, dass in Olympos das Auferstehungsfest am farbigsten gefeiert wird, doch den mangelhaften Verkehrsverbindungen ist es zu verdanken, dass dort Besucher noch nicht wie die Heuschreckenschwärme einfallen.
Die Abendgottesdienste am Gründonnerstag und Karfreitag dauern bis in die Nacht. Stundenlanger, monotoner, von Lautsprechern übertragener Gesang des Popen und einiger Gemeindemitglieder schildert den Leidensweg Christi. An dem anschließenden Kerzenumzug scheint das ganze Dorf, die halbe Stadt teilzunehmen. Die Gräber wurden am Vortag mit Blumensträußen und Kränzen, vielfach aus Plastik, geschmückt. In den Marmornischen brennen öllichter.
Für den großen Osterschmaus werden Lämmer und Hammel geschlachtet und am Spiess gegrillt. Aus den Innereien, aus Gemüse und Zwiebeln wird die traditionelle Ostersuppe Magiritsa zubereitet - für Griechen eine Delikatesse.
Es sind nicht nur Halbwüchsige, sondern auch gestandene Männer, die trotz amtlicher Verbote einem ziemlich unfrommen, eher heidnischen Osterbrauch huldigen. Schon an vorösterlichen Tagen sieht man sie auf Türschwellen an Knallfröschen, Feuerwerksraketen und Rohrkrepierern basteln, um sie in der "stillen Woche" und noch danach, vor allem aber in der Osternacht, krachen zu lassen. Das von Glockengeläute begleitete, in und vor der Kirche feierlich verkündete "Christos anesti " (Christus ist auferstanden) wird von Höllenlärm, Angstschreien, Schimpfen und Gelächter übertönt. Die Antwort der Gemeinde "Alithos anesti" (Er ist wahrhaftig auferstanden) geht darin unter. Auferstehungskerzen werden angezündet und Osterküsse ausgetauscht. Die ohrenbetäubende Knallerei setzt sich fort, als wolle sie Tote erwecken.
Auf unserer staubigen, gut 35 Kilometer langen Holperfahrt ins Bergdorf Olympos halten wir immer wieder an, um die wilde Gebirgslandschaft in uns aufzunehmen. An einigen Stellen haben Waldbrände nur verkohlte Baumstümpfe hinterlassen. Lange begegnen wir weder einem Menschen noch einem Fahrzeug. Unvermittelt taucht zwischen den Felsen die Häuserpyramide von Olympos auf. Wir parken unseren Geländewagen am Ortseingang. Durch frisch getünchte Gassen ziehen wir treppauf, treppab. Hier haben Esel noch nicht ausgedient. Die eng verschachtelten Häuser haben wegen des felsigen Geländes ungewöhnliche Grundrisse. Der winzige Dorfplatz unterhalb der Kirchtreppe wird von zwei Kafeneions flankiert.
Zwischen den Gottesdiensten am Dienstag, am Vor- und am Nachmittag, spielen hier Musikanten mit Kniegeige und Gitarre auf, begleitet von rhythmischem Händeklatschen und tänzerischen Bewegungen ihrer Zuhörer. Wenn die Glocken zum Kirchgang läuten, erscheint der Priester in seinem Prachtornat. Die Frauen und Mädchen kommen in den schönsten und aufwendigsten Trachten des östlichen Mittelmeeres aus den Häusern hervor und betreten die Kirche nach alter Sitte durch einen Nebeneingang. Sie tragen buntbestickte Blusen, Röcke und Schürzen aus Seide und Brokat, dazu zahllose Halsketten aus Münzen, die früher aus echtem Gold und Silber waren, damit jeder auf den ersten Blick erkennen konnte, wie reich eine Familie war. Verheiratete Frauen gehen in maßgeschneiderten Schaftstiefeln einher. Die Männer dagegen wirken in ihrer Allerweltskleidung ziemlich unscheinbar. Nach dem Prozessionszug vereinen sich alle zu traditionellen Dorftänzen im Sechsachteltakt und das große Fest beginnt.
Griechenland Zeitung