Kastoria war über Jahrhunderte Griechenlands Zentrum des Pelzhandels. Noch heute schwärmen Bewohner von diesen goldenen Zeiten. Neben dieser Besonderheit hat die Stadt aber noch einiges zu bieten: sechs Museen, über 70 historische Kirchen, einen versteinerten Wald, ein Museumsdorf und ein nahe gelegenes Skigebiet.
Wer die Geschichte von Kastoria schon länger kennt, der weiß, dass Kastoria bis vor 20 Jahren auf den Tourismus noch nicht wirklich angewiesen war. Diese Stadt war seit dem Mittelalter die Stadt der Pelze und des Kürschnerhandwerks schlechthin.
Auch darüber wollte ich mehr erfahren und klopfe bei einem Kürschnerbetrieb an. Der mehrstöckige Bau wirkt außen elegant und exklusiv. Im Innern erwartet mich ein Kürschner der dritten Generation, der mir keine Auskunft geben will. Der Weltmarkt für Pelze ist zu empfindlich geworden. Zu groß ist die Angst vor der Konkurrenz. Ich darf dennoch einen Blick in die Werkstatt werfen und photographieren. Noch immer hallt das Geräusch der Nähmaschinen und das ritsch ratsch der Scheren, die den Pelz nach Schnittmuster exakt zurechtschneiden, in meinem Ohr nach.
In einem anderen Geschäft treffe ich auf einen alten Kürschner, der doch ein wenig mehr erzählen will: „Ich wünschte mir, ich könnte Ihnen erklären, was diese Arbeit für mich bedeutet. Würde ich wiedergeboren, ich würde wieder Kürschner werden. Punkt. Und ich will Ihnen auch sagen, warum ich das so sehe. Diese Stadt haben die Kinder der Provinz auferstehen lassen. Ich bin als kleiner Junge in sieben Stunden von den Bergen zu Fuß nach Kastoria hinuntergelaufen. Werde das nie vergessen. Der Schnee stand einen halben Meter hoch. Aber es war diese Arbeit, die uns im Leben aufrechterhalten und uns ernährt hat. Als die anderen Regionen des Landes noch nichts vorzuweisen hatten, blühte Kastoria auf. Durch ehrliche Arbeit. Es war nicht nur der Handel. Es war die tägliche Ausübung des Kürschnerhandwerks, die die Stadt reich gemacht hat“.
Als Babis Karaliotis mir sein Herz ausschüttet, stehen ihm die Tränen in den Augen. Als junger Mann verkaufte er seine Pelze nach ganz Europa und Amerika. Heute kommen die Chinesen, klagt er. Und diese wollen nur die Feinheiten des Handwerks lernen, um ihm das Geschäft abzukaufen und die Produktion nach China zu verlagern. Die örtlichen Kürschner wären derweil gezwungen, aufgrund der geringen Produktionskosten in Fernost zu produzieren. Von den einstigen lukrativen Absatzmärkten sei nur der russische geblieben. Doch komme was wolle, er werde sein Geschäft nicht weggeben, beteuert er mir. Und dann sagt er etwas, das einem Bekenntnis gleich kommt: „Ich verehre dieses Handwerk. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass meine Geliebte in diesem Leben der Pelz ist. Und würde ich hundert Jahre alt werden, ich würde immer noch in meinem Laden stehen wollen. Heute ist das Handwerk dabei auszusterben. Niemand will diesen Beruf erlernen. Die Märkte haben sich verändert. Früher wurde bar auf die Hand gezahlt. Das alles gibt’s nicht mehr. Obwohl wir in den letzten Jahren die Qualität unserer Waren erhöht haben. Die Pelze aus Kastoria genießen tatsächlich noch einen sehr guten Ruf. Wir sollten unser Licht also nicht unter den Scheffel stellen“.
Die Geheimnisse einer alten Zunft
Ich hatte nach so viel Auseinandersetzung mit dem Pelz aus Kastoria eine Sache dennoch nicht verstanden. Was war den wirklich das Besondere daran? Doch das habe ich tatsächlich rein zufällig erfahren. Ich lief entlang der Promenade und steckte meine Nase in einen Souvenirladen, als mich ein schüchterner Mann freundlich bat, doch in den Laden hinein zu kommen. Später erfuhr ich, dass Dimitris Emanouilidis, wie so viele in Kastoria, eben auch aus einer Kürschnerfamilie stammte. Und er wusste deshalb auch auf meine Frage, was das Besondere am hiesigen Kürschnerhandwerk sei, eine Antwort: „Das Geheimnis unseres Handwerks ist, dass wir immer das gesamte Fell eines Tieres zu verarbeiten wussten. Das ist eine ganz besondere Kunst. Die anderen fragten sich immer, wie das geht, auch die kleinsten Pelzfetzen zusammenzulegen und daraus einen perfekt zugeschnittenen Mantel zu machen. Das ist die wirkliche Kunst. Selbst die ein bis zwei Zentimeter kleinen Reste geschickt verarbeiten zu können. Die aktuelle Situation ist nur leider wie folgt: Die Chinesen kommen nach Kastoria und kaufen diese kleinen Stücke auf. Sie bieten dabei jeden Preis. Viele können der Versuchung nicht widerstehen und verkaufen diese Teile. Leider. Denn wir könnten selbst unsere Waren im Augenblick sehr gut auf den Märkten verkaufen. Die Modedesigner haben den Pelz wieder in ihre Kollektionen aufgenommen. Die Chinesen hingegen kaufen diese kleinen Stücke auf und verarbeiten sie, wie es gerade geht, ohne dabei von dieser Kunst etwas zu verstehen“.
Neue Perspektiven mit weißen Bohnen
Die Krise im griechischen Pelzhandel hat dazu geführt, dass die Menschen in Kastoria versuchen, ihre Stadt auch für fremde Gäste attraktiv zu machen. Touristen, die Kastoria auf einem vier- bis fünftägigen Ausflug besuchen, bietet die Stadt sechs Museen, über 70 historische Kirchen, einen versteinerten Wald, ein Museumsdorf aus prähistorischer Zeit und das nahegelegene Skigebiet, das sich in den letzten Jahren wachsender Popularität erfreut. „Der liebe Gott hat uns mit einem zauberhaften See gesegnet, meint der gut gelaunte Damianos Mansios, den ich am Ende meines Kastoria-Aufenthalts noch einmal in seinem modernen Tante-Emma-Laden aufsuche, um mich zu bedanken. Er verpackt gerade getrocknete Pilze für einen Kunden und will mir seine hausgemachten Marmeladen anpreisen. Doch das allerwichtigste Erzeugnis neben den Pelzen, erinnert er, sind in Kastoria die weißen Bohnen.
„Die beste und schmackhafteste weiße Bohne Griechenlands stammt aus Kastoria. Die klimatischen Bedingungen sind wie geschaffen für den Anbau. Die Hochlage der Stadt spielt eine Rolle. Dann ist die Wasserqualität ausschlaggebend. Wir bewässern die Bohnenpflanzen nur mit fließendem Wasser, das aus den nahegelegenen Bergen kommt. Das ist recht kaltes Wasser, das der Pflanze gut tut. Deshalb hat sich in Kastoria auch einer der größten Bohnenhändler des Landes niedergelassen. Von hier wird die weiße Bohne bis nach Amerika exportiert. Nehmen Sie doch einige mit. Sie werden es sicher nicht bereuen. Eine solche Bohne haben Sie noch nie gegessen“.
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Er packt mir eine Tüte voll. Zusammen mit einer Flasche Kräuterlikör im Gepäck lege ich den ersten Gang in meinem „Hermes“ rein und verabschiede mich von einer Stadt, wie es sie, für mich zumindest, kein zweites Mal in Griechenland gibt.
Text und Fotos: Marianthi Milona
Informationen:
Hotel Kastoria, DZ: 60 Euro, ganzjährig geöffnet, Tel. 0030.2467.029453
www.hotel-kastoria.gr
Kaufen wie bei Großmuttern: Amaltheia, Meg. Alexandrou 7, Tel: 0030.24670.23955, www.amaltheia-kast.gr
Drachenhöhle: Eintritt 6 Euro, Führungen stündlich, Dauer 40 min.