In kaum einem anderen Inselort Griechenlands begegnen sich Geschichte und Geschichten so eng wie im Hafenstädtchen Pythagorion auf Samos. Einige Persönlichkeiten kennt bei uns jedes Kind. Anderen begegnet der Besucher vor Ort.
Zum Begriff Tyrann muss man einiges erklären. Heute ist das Wort total negativ besetzt; vielleicht auch durch Friedrich von Schiller. „Zu Dionys, dem Tyrannen schlich, Damon, den Dolch im Gewande …“ Das aber ist eine andere Ballade.
Der Tyrann, den Schiller in der „Bürgschaft“ beschreibt, ist einer von der bösen Sorte. Er herrschte allerdings nicht über Samos, sondern in Syrakus auf Sizilien. Tyrann war eine Bezeichnung für einen Alleinherrscher. So merkwürdig es heute klingt: Es gab wohl auch gute Tyrannen.
Polykrates wurde in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts auf Samos geboren. Mit Hilfe seiner Brüder Syloson und Pantagnotos schwang er sich zum Alleinherrscher auf. Er führte mit einer starken Flotte und einem großen Söldnerheer viele Kriege, erweiterte sein Herrschaftsgebiet bis aufs Festland. Vielleicht hätte er sich bescheiden sollen. Der persische Statthalter Orontes lud ihn zum Gastmahl aufs gegenüber liegende Festland. Polykrates wurde von seinem Gastgeber in Sichtweite seiner Insel Samos gekreuzigt.
Der bekannteste Sohn Pythagorions
Der heutige Hafenort Pythagorion liegt auf der antiken Stadt Samos. Die alten Kaianlagen werden noch heute genutzt. Polykrates ließ den ersten künstlichen Hafen der Ägäis anlegen. Auch die 6.500 Meter lange Stadtmauer und einen Tempel für das Hera-Heiligtum gab er in Auftrag. Er holte jedoch nicht nur Ingenieure an seinen Hof, sondern auch Bildhauer, Musiker, Poeten. Nur mit einem ortsansässigen Gelehrten lebte er auf Kriegsfuß. Das war der bekannte Mathematiker, Astronom und Philosoph Pythagoras, der um 580 auf Samos geboren wurde. Er studierte im Ausland, in Konstantinopel, Ägypten, wahrscheinlich auch bei Thales in Milet. Angeblich musste er vor Polykrates fliehen, versteckte sich in einer Höhle, entkam und wanderte nach Unteritalien aus, wo er auch starb.
Text: Konrad Dittrich, Fotos: GZjh
(Teil 2 der Reportage von Konrad Dittrich können Sie am kommenden Wochenende lesen.)