Angesichts der Fülle von Überresten aus der klassischen Vergangenheit Athens neigt man leicht dazu, Zeugnisse anderer Zeitepochen der Stadt zu übersehen. Und 400 Jahre türkischer Herrschaft haben sehr wohl welche hinterlassen, zugegebenermaßen nicht sehr viele! Wir wollen im folgenden ein paar davon in Augenschein nehmen.
Beginnen wir am bekannten Monastiraki-Platz, wo der berühmte Flohmarkt anfängt und wo jeder Athen-Besucher irgendwann vorbei kommt. Hier war während der türkischen Herschaft das wirtschaftliche und politische Zentrum der Stadt. Dabei findet die den Platz beherrschende Tsisdarakis-Moschee bei den Touristen kaum Beachtung. Zu unrecht, denn sie beherbergt die Keramik-Abteilung des Volkskunst-Museums mit Werken neuzeitlicher Töpfer, die sich von der antiken und der byzantinischen Tradition inspirieren ließen. Oben auf der Empore kann man einen Überblick über die Gebrauchskeramiken aus den verschiedensten Plätzen Griechenlands geografisch gegliedert bekommen (Öffnungszeiten täglich 9-14:30 außer Dienstags).
Die Moschee wurde 1759 vom Woiwoden (Stadtverwalter) Mustafa Aga gebaut, aber nach dem Namen seines Vorgängers Disdar Aga (vergriechischt zu Tsisdarakis) benannt. Jener Mustafa Aga ließ für den Bau etliche antike Gebäude auseinander nehmen. Zuletzt ließ er noch eine der stehenden Säulen vom Zeus-Tempel (Olympeion) sprengen, um aus dem Marmor Kalk für die Tünchung der Innenräume zu brennen! Das rief nicht nur den Unmut der Bevölkerung hervor, die daran glaubte, daß unter jeder Säule ein Fluch steht und beim Fällen derselben frei wird und die Stadt befällt. Auch sein Vorgesetzter, Pascha von Halkis auf Euböa, nutzte die Gelegenheit aus, ihn loszuwerden. Er berief sich auf ein altes Gesetz, wonach alle antiken Bauten Eigentum des Sultans sind und nur mit seiner Erlaubnis etwas an ihnen vorgenommen werden darf. Diese Erlaubnis hatte Mustafa Aga freilich nicht eingeholt.
Wenn wir nun der Pandrosou Strasse (direkt neben der Moschee) mit ihren Andenken-Läden folgen (die Treppe rechte Seite mit den ausgebreiteten Handwebereien ist das einzige Überbleibsel vom türkischen Bazar), kommen wir an der nächsten Kreuzung zur Aiolou Strasse und dort biegen wir rechts ab. Wir kommen an den hohen Mauern der Hadrians-Bibliothek vorbei und gehen weiter bis zur Umzäunung der römischen Agora, deren bekanntestes Monument der Turm der Winde ist. Letzterer diente übrigens während jener Zeit einem Orden der "Heulenden Derwische", wie ein Engländer 1821 ihre Rituale beschreibt, als Tekke (Zeremonien-Platz).
Dort erblicken wir linke Hand ein Eingangstor von einem nicht mehr vorhandenen Gebäude. Es handelte sich um eine Medresse, eine islamische theologische Schule, die 1720 von Mehmet Fari einem Würdenträger im Hof Sultans Ahmet III errichtet wurde. Sie hatte einen Hof in der Mitte mit Säulengängen rund herum, Küche, Latrine, und elf Schlafräume. Ferner einen Lesesaal, der auch als Gebetsraum diente und in der Mitte stand eine große Platane.
Während der Unabhängigkeits-Kriege 1821-1827 wurde die Medresse als Gefängnis umfunktioniert und Verurteilte wurden an den Ästen des Baums gehängt. Später, nach der Befreiung Griechenlands wurden das Gebäude und der Baum in gleicher Weise für Kriminelle und politische Gefangene genutzt und hatte einen sehr üblen Ruf, ob der unmenschlichen Konditionen für die Insassen. Beim Aufstand 1843 gegen den griechischen König Otto und die Einsetzung einer Verfassung wurde das Gefängnis vom Volk gestürmt und die Gefangenen freigelassen. 1919 fiel schließlich auch die Platane durch einen Blitzschlag um und das Gebäude wurde im selben Jahr ebenfalls zerstört.
Quer gegenüber der Medresse sehen wir dann innerhalb des Zauns der römischen Agora das älteste Zeugnis jener Zeit, die Fetiye-Moschee. Sie wurde 1456-1458 auf den Fundamenten einer frühchristlichen Basilika anläßlich des Besuches von Sultan Mehmet II dem Eroberer errichtet.
Letzterer war ein sehr gebildeter Mann und ein Philhellene, der die alten Philosophen sehr bewunderte. Nach seinem Besuch erhielt die Stadt viele Privilegien und erst nach seinem Tode begann auch für Athen eine Zeit der bitteren Unterdrückung. Für kurze Zeit 1687-88 als Athen vom Venezier Genaral Morosini (der auch den Parthenon mit seinen Geschossen in die Luft jagte) erobert wurde, verwandelte man die Moschee in eine katholische Kathedrale und es wurde dort ein etwas verfrühter Dankesgottesdienst (Te Deum) gehalten. Die Konstruktion der Moschee ist typisch für ihren türkischen Stil mit quadratischem Grundriß, Vorhalle und Halbkuppeln rund herum. An der Südseite sieht man auch einige türkische Grabsteine besichtigen, einer davon mit dem für männliche Verstorbene charakteristischen Turban darauf. Nach der Befreiung Griechenlands diente die Moschee als Militärgefängnis, Lagerhaus für Getreide, Militärbäckerei und heute als Lagerraum für Funde aus dem Agora-Bereich. Sie ist leider für das Publikum nicht zugänglich.
Und nach dieser Tour verdienen Sie eine kleine Stärkung! Setzen Sie sich an einem der Tische im Freien, die der Taverne "Akropolis" direkt an der Ecke gehören (auf dem Foto die Tische ganz rechts). Sie können erst hinein gehen und die fertigen Speisen an der Theke begutachten und auswählen. Sehr empfehlenswert, und wenn Sie dort nachts sitzen, haben Sie einen wunderschönen Anblick von der beleuchteten Agora und der darüber liegenden Akropolis.
Atheneus
Unser Foto (© Griechenland Zeitung / Rebecca Hürter) zeigt einen türkischen Laden in Athen, der allerlei Instrumente aber auch anderes verkauft.