Mit einem klaren Sieg ging das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) unter Alexis Tsipras aus den Parlamentswahlen am Sonntag hervor. Der Vorsprung zur konservativen Nea Dimokratia (ND) beträgt mehr als sieben Prozentpunkte. Damit wurden sämtliche Meinungsumfragen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit hatten, Lügen gestraft.
Bereits am Montagabend wurde Tsipras als Ministerpräsident vereidigt. Mit 145 Sitzen verfehlte seine Partei die angepeilte absolute Mehrheit und wird deshalb wieder mit dem bisherigen Regierungspartner „Unabhängige Griechen“ (ANEL) koalieren; zusammen verfügen sie über 155 Mandate. Dieser abermalige Bund mit den Rechtspopulisten unter Panos Kammenos wurde am Montag vom Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz scharf kritisiert. Er erklärte in einem Interview, die ANEL sei eine „komische“ und „rechtsradikale Partei“. Es sei für ihn unverständlich, dass Tsipras mit ihr koaliere. ANEL-Chef Panos Kammenos sprach daraufhin von einer „Respektlosigkeit“, mit der Schulz „in die innerpolitischen Angelegenheiten Griechenlands“ eingreife. Die Sozialdemokratische Partei Europas, der Schulz angehört, hatte sich wiederholt für eine Zusammenarbeit zwischen SYRIZA, der sozialistischen PASOK sowie der liberalen „To Potami“ ausgesprochen. Allerdings hatten die Sozialisten die Option einer Zusammenarbeit mit der Regierung aus SYRIZA und ANEL kurz nach der Wahl kategorisch dementiert. In Gang gesetzt worden waren entsprechende Gerüchte von Kemmenos, der – unter Bedingungen – von einer Kooperation mit der PASOK gesprochen hatte.
Entwicklungen gibt es unterdessen nach der Wahlniederlage bei der ND. Der Interimsvorsitzende Evangelos Meimarakis setzte sich dafür ein, so schnell wie möglich einen Parteichef zu wählen. Als ein wahrscheinlicher Anwärter auf diesen Posten gilt Kyriakos Mitsotakis, Sohn des ND-Ehrenvorsitzenden und früheren Ministerpräsidenten Konstantinos Mitsotakis und Bruder der früheren Ministerin Dora Bakojanni.
Was die neue Regierung betrifft, so hat Premier Tsipras keine Verschnaufpause. Schon am heutigen Mittwoch (23.9.) wird der Grieche zum EU-Sondergipfel erwartet. Am Rande wird es zu Gesprächen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker kommen. Voraussichtlich werden beide darauf dringen, dass Athen so schnell als möglich die im Juli mit den Geldgebern vereinbarten Verpflichtungen erfüllt. Tsipras selbst hat sich das Nahziel gesetzt, die Wirtschaft und das Bankensystem zu stabilisieren sowie Verhandlungen über einen Schuldenschnitt aufzunehmen. Seitens des Bundeskanzleramtes hieß es, dass die im dritten Hilfspaket unterzeichneten Vereinbarungen eingehalten werden müssten. Das würden alle europäischen Partner erwarten und in diesem Geiste bewege sich die Zusammenarbeit. (Griechenland Zeitung / jh)
Unser Archivfoto (© Europäische Union / Eurokinissi) entstand am 20. März 2015 am Rande eines EU-Gipfeltreffens in Brüssel. Am Tisch sitzen u. a. der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.