Am Montag hat offiziell der Prozess gegen die faschistische Parlamentspartei Chryssi Avgi begonnen. Vorgeworfen wird den 69 Angeklagten u. a. Mitgliedschaft bzw. Führung einer kriminellen Organisation, Totschlag, versuchter Mord und illegaler Waffenbesitz.
Der seit langem erwartete Prozess gegen Mitglieder und die gesamte Führung der neofaschistischen Partei Chryssi Avgi (zu Deutsch: Goldene Morgenröte) erlebte am Montag einen schlechten Start. Gleich zu Beginn musste er auf 7. Mai vertagt werden, weil einer der Angeklagten keinen Verteidiger hatte. Überhaupt warten nur 44 der 69 Angeklagten vor Gericht erschienen, mit Abwesenheit glänzte auch der Parteichef Nikos Michaloliakos.
Der verpatzte Start sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um den wichtigsten Prozess in der neugriechischen Geschichte handelt. Rund 300 Zeugen sollen vernommen werden, die wiederum von 120 Rechtsanwälten vertreten werden, 100 Journalisten sind akkreditiert.
Gewaltsamer Zwischenfall
Im Rahmen des Prozesses ist es am Montag im Umfeld der Haftanstalt von Korydallos zu einem blutigen Zwischenfall gekommen. Zeugen der Anklage, die vor Gericht geladen worden waren, wurden brutal zusammengeschlagen. Außerdem kam es zu mehreren Kundgebungen vor allem von Antifaschisten. Anwohner des Gefängniskomplexes protestierten ebenfalls wegen befürchteter Ausschreitungen zwischen Faschisten und linken Gruppierungen. 11 Schulen und kommunale Behörden wurden deshalb geschlossen.
Symbol des Hakenkreuzes
Was die Angeklagten betrifft, so wird ihnen u. a. Totschlag, Anstiftung zum Mord und illegaler Waffenbesitz und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Die gesamte Parteiführung soll sich zudem wegen der Leitung einer solchen Organisation verantworten.
Das Emblem der Chryssi Avgi (CA) ist ein Hakenkreuz ähnlicher altgriechischer Mäander. Den Vorwurf, dass die Neofaschisten mit den Hitlergruß grüßen, wird von den Angeklagten mit dem Hinweis bestritten, dass es sich um eine Grußform aus dem antiken Griechenland handle. Jährlich versammeln sich Mitglieder und Sympathisanten der CA am Denkmal der Schlacht bei den Thermopylen, die 480 v. Chr. gegen die Perser geführt worden ist. Doch es geht um mehr als Traditionspflege. Erst am Wochenende wurde eine Videoaufzeichnung in der Öffentlichkeit bekannt. Darauf sprach sich ein hochrangiger Parteifunktionär für „Rassenreinheit“ aus. Unverhohlen gehetzt wurde gegen Minderheiten wie Roma, gegen Homosexuelle, genetisch Behinderte und Immigranten.
Ausbildung von Sturmtrupps
In anderen Videos, die der Anklage vorliegen, wird die Ausbildung von Sturmtrupps der CA im Nahkampf und im Umgang mit Waffen verherrlicht. Dass das deutsche Naziregime von Anfang an Pate gestanden hat, belegt nicht zuletzt die erste Ausgabe der Parteizeitschrift aus dem Jahre 1980. Auf der Titelseite ist eine Hakenkreuzfahne zu erkennen.
Noch im August 2012 hatte Parteichef Michaloliakos seinen „Ekel“ vor dem griechischen Parlament zum Ausdruck gebracht. Einen Monat zuvor hatte die CA bei den Parlamentswahlen knapp 7 Prozent der Stimmen erhalten und war in die Volksvertretung eingezogen.
Kurz darauf nahmen gewalttätige Angriffe auf dunkelhäutige Ausländer und politische Gegner erschreckend zu. Beteiligt waren in vielen Fällen auch Abgeordnete der CA. Vor Strafverfolgung waren sie zunächst durch ihre Parlamentarierimmunität geschützt.
Ins Rollen kam eine gerichtliche Verfolgung der Täter erst durch die Ermordung eines Musikers aus der linken politischen Szene. Er war am 17. September 2013 von einem Anhänger der Partei erstochen worden. Es gibt Indizien dafür, dass ein CA-Parlamentarier den Befehl zum Angriff gegeben haben könnte. Nach diesem Mord wurde fast die gesamte Parteiführung in Haft genommen, darunter auch Parteichef Michaloliakos. Wegen des Ablaufs der Frist für eine Untersuchungshaft lebt er seit April unter strengem Hausarrest.
Wähler aus allen Schichten
Michaloliakos hatte die CA 1980 zunächst als Organisation gegründet. Ihre Umgestaltung zur Partei erfolgte 1993, die politisch allerdings keine Bedeutung hatte. An Zulauf gewann sie nach Ausbruch der Krise vor etwa fünf Jahren. 2010 erhielt sie einen Sitz in Athener Stadtrat. Während zunächst vor allem junge männliche Arbeitslose zur Wählerklientel gehörten, dürfte sich diese inzwischen auf fast alle gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen erstrecken. Dass es sich ausschließlich um Proteststimmen gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise und gegen das Zweiparteiensystem handelt, das sich nach dem Sturz einer Militärjunta im Jahr 1974 etablierte, ist inzwischen umstritten. Zahlreiche Wähler soll die CA vor allem von der konservativen Nea Dimokratia abgezogen haben, die gemeinsam mit der sozialistischen PASOK bis Januar das Land regierte.
(Griechenland Zeitung / eh, Foto: Eurokinissi)