Der mutmaßliche Selbstmord des 20-jährigen Studenten Vangelis Giakoumakis geht als erster registrierter Fall von „Schul-Mobbing” in die griechische Geschichte ein. Die Bestürzung darüber ist verständlicherweise groß und erstreckt sich über weite Teile von Gesellschaft und Politik.
Macht man es sich aber damit nicht zu einfach? Die Schikanen und Erniedrigungen, die der Student Augenzeugen zufolge über sich ergehen lassen musste, fanden nicht in einem Schulhof statt, sondern an einer etwas gehobeneren Berufsschule. Die Schuldigen sind keine Kinder oder Halbstarken gewesen, sondern Volljährige.
Die Frage muss gestellt werden, ob es sich bei Giakoumakis nicht eher um einen weiteren Fall einer zwielichtigen Sub-Kultur der Insel Kreta handelt, die unter dem Mantel eines folkloristischen Lokalpatriotismus eine Art gesellschaftliche Immunität genießt, die in einer modernen, rechtsstaatlichen Gesellschaft eigentlich keinen Platz haben sollte.
Giakoumakis war ein Dorfjunge aus dem kretischen Gebirge. Die Kommilitonen, die ihn allem Anschein nach in den Selbstmord getrieben haben, stammten ebenfalls aus Kreta. Es ist bezeichnend, dass ein lokaler Abgeordneter bei der Universität interveniert haben soll, um die Gruppe der Verdächtigen nach anderen Vergehen in Schutz zu nehmen.
Solche eigentlich vormodernen Verhaltensmuster sind in Griechenland noch gang und gäbe. Sie werden geduldet, bleiben unangetastet und werden manchmal unter vorgehaltener Hand sogar gefördert. Die offene Gewalt in den Sport-Stadien ist ein weiteres eklatantes Beispiel. Auch dort etablierte sich die Ansicht, dass es sich um einen geschlossenen gesellschaftlichen Raum handelt, in dem es zugelassen wird, nach eigenen Gesetzen zu operieren. In den meisten Fällen ist es aber lediglich das nackte Gesetz des Stärkeren.
Dimos Chatzichristou
Unser Foto (© Eurokinissi) entstand während einer Gedenkveranstaltung für Vangelis Giakoumakis in Ioannina.